Die DDR als Ort der Handlung

Unschuld spielt teilweise in der DDR. Über den Hintergrund von Andreas Wolf, eine der drei Hauptfiguren in dem Roman, sagt Franzen im Interview mit der FAZ vom 28.8.2015 Folgendes: „Er musste Deutscher sein, weil ich schon lange einen Roman schreiben wollte, in dem Deutschland vorkommt. Ich habe viel Zeit im Land verbracht, ich spreche die Sprache, und die DDR hat mich seit langem gereizt, das ist einfach ein großes Thema, viel interessanter als etwa das kommunistische Polen, weil es so viel extremer zuging: die Stasi, die Ausmaße der gesammelten Daten, die Zahl derjenigen, die dabei mitgemacht haben – das ist alles extrem. Sehr deutsch. Und das ist es, was der Romancier tut: er übertreibt.“

Gelegentlich ist Franzen als Übersetzer deutschsprachiger Texte tätig. So kann er deutschsprachige Literatur, die ihn begeistert, der englischsprachigen Leserschaft näherbringen. Zudem ermöglicht Übersetzungsarbeit seiner Meinung nach eine besonders präzise Beschäftigung mit Texten, wie er im oben genannten SPIEGEL-Interview erläutert: „Jeder, der schreibt, sollte auch übersetzen. Man muss sich über alle Wörter Rechenschaft ablegen. Etwas Schlechtes zu übersetzen ist grauenvoll, aber wenn man etwas Gutes vor sich hat, erkennt man: Dieses Wort steht da, weil es dastehen muss.“

Neben den genannten Aufsätzen von Karl Kraus übersetzt er im Jahr 2007 im Rahmen einer Neuübersetzung zudem Frank Wedekinds Frühlings Erwachen aus dem Jahr 1891 sowie 2023 den Roman Am kürzeren Ende der Sonnenallee seines Freundes Thomas Brussig aus dem Jahr 1999 (gemeinsam mit Jenny Watson, Professorin für deutsche Geschichte und Literatur). Brussig würdigt er im Nachwort folgendermaßen: „Und das ist das Wunder, das Thomas Brussig vollbringt. Wenn er in Am kürzeren Ende der Sonnenallee zurückblickt, so tut er es ohne Wut oder Bedauern. Was er sieht, ist weder eine Dystopie noch eine Utopie, sondern etwas Anrührendes. Er sieht Menschen, die sich wie Menschen benehmen, Menschen, wie sie immer gewesen sind und immer sein werden. Außerdem sieht er, wunderbarerweise, auch etwas Albernes.“

Verfasst von: Thomas Steierer