Widerstände und Scheitern

Im autobiografischen Erzählband Die Unruhezone – eine Geschichte von mir bringt Franzen seine gescheiterte Ehe mit der Erderwärmung in Verbindung: „Um Weihnachten herum ging uns das letzte Geld aus. Wir kündigten unsere Mietverträge und verkauften die Möbel. Ich nahm den alten Wagen, sie nahm den neuen Laptop, ich schlief mit anderen. Undenkbar, entsetzlich und glühend herbeigesehnt: Unser kleiner Planet war kaputt.“ Die geplante HBO-Serie zu den Korrekturen, bei der Franzen am Drehbuch mitarbeitet, kommt letztlich nicht zustande. Jonathan Franzens erste beiden Romane sind kommerziell nicht sehr erfolgreich, was zeitweise mit Geldknappheit einhergeht. Franzen leidet nach dem Welterfolg der Korrekturen unter einer Schreibblockade. Die großen Erwartungen an ihn setzen ihn beim Verfassen des Romans Freiheit unter Druck. Sein erster Anlauf für eine Karl-Kraus-Übersetzung zu Studienzeiten scheitert. Widrigkeiten ausgeliefert zu sein, erachtet Franzen als Normalzustand. So äußert er im Interview mit dem SPIEGEL vom 25.1.2020: „Literatur handelt davon, sich mit einer völlig unerträglichen Wirklichkeit zu arrangieren“. 

Besonders in den Romanen von Jonathan Franzen geht Dysfunktionalität teilweise auch einher mit Tragikomik und satirischen Elementen. In Schweres Beben findet sich von Louis‘ Nachbar folgende Spießbürgerlichkeit karikierende Beschreibung: „Als Louis nach Hause kam, begegnete er seinem Nachbarn John Mullins, der gerade mit Hilfe eines großen braunen Badeschwamms sein Auto einschäumte. Der Wagen schien nie weiter bewegt zu werden als bis zum Ende der Zufahrt, wo Mullins ihn wusch. Er schien auch niemals schmutzig zu sein. Fleischige Tulpen bedeckten jetzt das Beet vor der Veranda des zweistöckigen Hauses, das der alte Mann bewohnte; ihre schweren purpurroten und gelben Blütenköpfe neigten sich wie von ungefähr in verschiedene Richtungen, als wollten sie es vermeiden, dass Louis sie sah.“

Der Umgang mit Scheitern allgemein, beispielsweise in Form von Veranstaltungsreihen wie „Fail Night“, bei der Menschen von ihrem Scheitern berichten, ist in den letzten Jahren offener geworden. Die von Franzen oft ins Zentrum seiner Texte gerückte Dysfunktionalität ist mit Blick in die Weltlage weiter und mehr denn je omnipräsent. Dass der Autor satirische und tragikomische Elemente in seinen Texten verwendet, empfinde ich, angesichts der in seinen Romanen und Essays vermittelten Ahnung von der Kaputtheit der Welt und dem Wissen um die Schlechtigkeit, zu der Menschen fähig sind, als eine Art tröstenden und erleichternden Galgenhumor.

Verfasst von: Thomas Steierer