Dysfunktionalität und Tragikomik

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Die in Jonathan Franzens Texten vielfach darstellte Dysfunktionalität etwa in Form von Abstieg, Verfall, Scheitern, Abneigungen, Unzufriedenheit, Kränkungen, Dilemmata und Traumata hängt in den Romanen oftmals mit der jeweiligen Familienkonstellation zusammen.

In den Korrekturen etwa wird die Familie konfrontiert mit der Erkrankung von Vater Alfred an Parkinson und Demenz, Alfreds schwierige Ehe mit Enid ist ein Thema, auch die drei Kinder stecken in diversen Schwierigkeiten. Der Schriftsteller Jan Brandt schreibt in der ZEIT vom 8.10.2015 in der Serie über ausgewählte Romane des 21. Jahrhunderts „Meisterwerke, die bleiben werden“ unter dem Titel „Der analoge Triumph“ über Jonathan Franzens Buch Die Korrekturen, dass das Unglück in der Familie für das zeitgeschichtliche größere Ganze steht: „Die Korrekturen sind wenige Tage vor 9/11 erschienen. Und so wurde es gelesen und verstanden: als Ausdruck einer kollektiven Erschütterung.“

In Crossroads gerät der Familienvater Russ als Pastor in seiner Gemeinde in der Jugendarbeit bei der titelgebenden Jugendgruppe auch durch eigene Schwäche ins Abseits gegenüber dem charismatischen Seelsorger Rick Ambrose. Russ` Frau Marion leidet unter dessen Schwärmen für die jüngere Witwe Frances Cottrell. Ihre vier Kinder sind sich untereinander im Verlauf des Romans nicht grün und haben ihre jeweils eigenen „Baustellen“. Russ stammt aus einer schwierigen Familie, seine Frau Marion hat mehrere Traumata erlitten. Bei seinen Kindern und seiner Frau macht sich Russ zunehmend unbeliebt: „Russ erwachte in einem fremden Haus. Wind schlug gegen die Fenster, zerstäubte den Schnee auf den Ästen davor und Marions Seite des Ehebetts war unberührt.“

Man kann in Franzens Essays, in denen er oftmals Dysfunktionalität thematisiert, etwa den ineffizienten Zustand der Post in Chicago, den körperlichen Verfall seines Vaters, die Bedrohung der Vogelvielfalt, den Klimawandel sowie den Niedergang des Romans und in Interviews auch einiges Persönliches von Jonathan Franzen erfahren. Der Autor weiß, wovon er schreibt.

Verfasst von: Thomas Steierer