Alisha

Eine sexy bittere Feministin zu sein, bedeutet dann auch, keine Zweifel mehr zu haben. Sich ganz klar den persönlichen und strukturellen Enttäuschungen, die wir im Patriarchat erleben, hinzugeben und sich damit zu identifizieren. 

Ich sehe ihn vor mir: die angeeignete „Feminist Killjoy“[4]: Zigarette im Mund, sie ist lässig, sie ist unabhängig, sie muss niemanden besänftigen, sich nicht klein oder niedlich machen, sie ist sich ihrer Sexualität sicher ohne Zweifel, sie arbeitet an sich selbst, entspricht keinen sozialen Erwartungen mehr, keinen sexistischen Klischees, sie sehnt sich nach nichts und wenn, kann sie es sich selber geben, pfeift auf Normen, nimmt die Bitterkeit mit Würde. Sie weiß, das Private ist politisch. Sie ist bitter und das macht sie interessant, das erlöst sie vom Diktat des Glücks. Will ich sie sein?

Aber das bin auch ich:
Saunen gehen lieben
Unsicherheit darüber, was ich will
normierte Erfolge und Bestätigung suchen
ein teures, so weiches Kleidungsstück kaufen
unglücklich verliebt sein
verwöhnt werden wollen
eine dünne Haut haben
Menschen für Äußerlichkeiten bewundern
sich überarbeiten
schreiben in der Hoffnung, gehört und gelesen zu werden
zu Hause herumhängen
wenn ich eigentlich kämpfen müsste
wenn ich mein Leben in Angriff nehmen müsste
people pleasen

Anja Bachl:
  erklär mir nicht wie man sich doppelte Verneinungen abgewöhnt
  sondern eher wie man sich einbrennt ohne Spuren zu hinterlassen
  wie man drei Ideen gleichzeitig lebt
  wie man Milchzähne behält
  wie man Kinder gebärt und anschließend Narben körpereigen macht
  wie man eine Erfinderin bleibt

Emma Goldman, frühe Feministin und Anarchistin schreibt: „Wirklich, es muss gesagt werden, die Frauenrechtsbewegung hat viele alte Fesseln zerrissen, aber sie schmiedete auch neue … Und durch eine jede Beschreibung des Lebens dieser Frauen, begabt mit außergewöhnlicher Mentalität, läuft die klar sichtbare Furche einer unbefriedigten Sehnsucht nach einem ganzen, abgerundeten, vollständigen, schönen Leben, die Unruhe und Einsamkeit, welche dem Mangel eines solchen entspricht“.

Ein Leben, das also durch das Umsetzen von feministischen Idealen (den Träumen folgen, Karriere machen) bitter wird, weil ihm an Sinnlichkeit und lebensweltlichen Dingen mangelt, weil mensch auf der privaten Ebene zurücksteckt. Das war 1906.

 

[4] Feminist Killjoy nach Sara Ahmed: Eine feministische Person, zumeist FLINTA*, die allen mit ihrer angenommen „übertriebenen“ moralischen Haltung den Spaß verdirbt.

Verfasst von: Alisha Gamisch und Sara Gómez