Maria Marc in Sindelsdorf

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Franz und Maria Marc vor der Schreinerei von Josef Niggl mit der Gartenlaube, 1912. Foto: Gabriele Münter (Gabriele Münter- und Johannes Eichner-Stiftung, München)

Der Münchner Maler Franz Marc wohnt 1909 zusammen mit der Malerin Maria Franck über ein halbes Jahr in Sindelsdorf zur Miete. In dem kleinen Bauerndorf lassen sich die beiden 1910 nieder und bleiben bis April 1914. Sindelsdorf entwickelt sich in dieser Zeit in eine kleine Künstlerkolonie, Maler wie Wassily Kandinsky, Gabriele Münter und August Macke kommen von Murnau oder Tegernsee aus zu Besuch. Am 21. Januar 1913 teilt Maria Marc in einem ihrer „Klatschbriefe“ Mackes Frau Elisabeth mit:

Wir wurden im Laufe der Zeit immer mehr deprimiert, wir glaubten bei den meisten Menschen das Verderben der Großstadt zu sehen, fast alle schienen verdorben zu sein. Zwischen allen stehen Eifersucht, Neid und Lüge; es traut keiner dem anderen – die Luft ist unrein. Interessant war natürlich die Geschichte dadurch, dass wir in zwei Lager verkehrten – auf der einen Seite Else Lasker-Schüler, Waldens geschiedene Frau – auf der anderen Seite Walden selbst mit seiner jetzigen Frau, einer kompletten Gans. Die Lasker-Schüler (wir kannten sie durch Korrespondenz, ehe wir nach Berlin kamen, und wir glaubten, dass Waiden und sie in Freundschaft geschieden wären; Walden schrieb das nämlich) ist eine merkwürdige Persönlichkeit – wir hatten sie gleich sehr gerne. Wenn man sie kennt, versteht man ihre Dichtungen leicht. Sie passt nicht zu den Menschen, unter denen sie lebte und lebt, auch sie ist verdorben. Sie ist jetzt sehr leidend. Infolge der Scheidungsaffaire, die nicht so glatt ging wie Walden es hinstellte, in Geldnot – haben ihre Nerven einen Schock gekriegt, und wir haben sie mit uns nach Sindelsdorf genommen, damit sie sich hier erholen sollte. Sie hielt aber die Einsamkeit und die Stille in der Natur nicht aus; Jahre hindurch hat sie nur in Berlin zwischen Mauern und in Kaffeehäusern gelebt, und so war diese plötzliche Veränderung keine Wohltat, sondern eine Beunruhigung für ihre kranken Nerven. Wir brachten sie wieder nach München, wo sie Freunde hat und eine Kur durchmacht, die ihr scheinbar besser hilft. (Zit. aus: Maria Marc: Maria Marc an Elisabeth Macke vom 21.1.1913. In: Franz Marc – Else Lasker-Schüler: Der Blaue Reiter präsentiert Eurer Hoheit sein Blaues Pferd. Karten und Briefe. München 1987, S. 115f.)

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek

Sekundärliteratur:

Tworek, Elisabeth (2011): Literarische Sommerfrische. Künstler und Schriftsteller im Alpenvorland. Ein Lesebuch. Allitera Verlag, München, S. 194, S. 259.