Sevi
Erst als es in der kleinen Bar allmählich leerer wird, bemerkt er ihn. Irgendwo hat er ihn schon einmal gesehen. Wo nur? Richtig, gestern, im Club mit dem Berliner Crossdresser.
„Du hast ein fotografisches Gedächtnis“, meint Christoph, „ich würde hier keinen wiedererkennen.“
Sevi sitzt in der äußersten Ecke des verrauchten Ladens, der Bekannte, mit dem er sich die ganze Zeit unterhalten hat, ist eben gegangen.
„Der starrt dich an“, sagt Christoph. „Die starren uns alle an.“
„Klar, wir starren sie ja auch an“, erwidert Bart.
Sie sprechen über die merkwürdige Fülle von Gelegenheiten, die sich in einer fremden Stadt auftun, wahrscheinlich, weil man dort wacher, offener, aufmerksamer ist als in der eigenen.
Der Typ starrt Bart tatsächlich an.
„Setzen wir uns mal da hinten rüber“, entscheidet Bart. Zu zweit quetschen sie sich neben Sevi.
Wie soll man Sevi beschreiben? Eine altmodische, stilisierte, irgendwie romantisierende Erscheinung, wie sie vielleicht nur Wien hervorbringt. Keine Sportaccessoires, kein Skater-Chic, keine Marken, kein Tattoo, kein Piercing. Das pure Gegenteil, er erinnert an das Porträt eines ungarischen Adligen: schulterlanges, dunkles Haar, dunkler Spitzbart, breite Koteletten, ganz und gar schwarz gekleidet, ein Siegelring am Finger. Jemand, der sich bewusst gegen den Modetrend ausstaffiert, denkt Bart, also jemand, der sich für was ganz Besonderes hält. Etwas daran erregt seinen Widerstand. Da er sicher ist, dass Sevi auf keinen Fall das Gespräch beginnen wird, fragt er ihn, ob es in Wien etwas ausmache, unterm Tisch einen Joint zu bauen, zu bauen, nicht zu rauchen, oder ob man damit rechnen müsse, gleich rauszufliegen. Er hat diese Frage gewissermaßen als Visitenkarte gewählt, als provokante Vorstellung seiner Person.
Sevi sieht ihn an, setzt ein ironisches Lächeln auf und meint, das gehe schon in Ordnung.
Die ersten Sekunden entscheiden alles. Instinktiv wissen wir nach ein paar Augenblicken übereinander, was es zu wissen gibt. Bei diesen beiden ist es nicht anders. Der Verlauf der Geschichte ist nun abgesteckt. Es wird die Ewigkeit dreier Tage dauern, bis sie sich die Parameter ihres Verhältnisses bewusst gemacht und die Konsequenzen daraus gezogen haben.
Weitere Kapitel:
Erst als es in der kleinen Bar allmählich leerer wird, bemerkt er ihn. Irgendwo hat er ihn schon einmal gesehen. Wo nur? Richtig, gestern, im Club mit dem Berliner Crossdresser.
„Du hast ein fotografisches Gedächtnis“, meint Christoph, „ich würde hier keinen wiedererkennen.“
Sevi sitzt in der äußersten Ecke des verrauchten Ladens, der Bekannte, mit dem er sich die ganze Zeit unterhalten hat, ist eben gegangen.
„Der starrt dich an“, sagt Christoph. „Die starren uns alle an.“
„Klar, wir starren sie ja auch an“, erwidert Bart.
Sie sprechen über die merkwürdige Fülle von Gelegenheiten, die sich in einer fremden Stadt auftun, wahrscheinlich, weil man dort wacher, offener, aufmerksamer ist als in der eigenen.
Der Typ starrt Bart tatsächlich an.
„Setzen wir uns mal da hinten rüber“, entscheidet Bart. Zu zweit quetschen sie sich neben Sevi.
Wie soll man Sevi beschreiben? Eine altmodische, stilisierte, irgendwie romantisierende Erscheinung, wie sie vielleicht nur Wien hervorbringt. Keine Sportaccessoires, kein Skater-Chic, keine Marken, kein Tattoo, kein Piercing. Das pure Gegenteil, er erinnert an das Porträt eines ungarischen Adligen: schulterlanges, dunkles Haar, dunkler Spitzbart, breite Koteletten, ganz und gar schwarz gekleidet, ein Siegelring am Finger. Jemand, der sich bewusst gegen den Modetrend ausstaffiert, denkt Bart, also jemand, der sich für was ganz Besonderes hält. Etwas daran erregt seinen Widerstand. Da er sicher ist, dass Sevi auf keinen Fall das Gespräch beginnen wird, fragt er ihn, ob es in Wien etwas ausmache, unterm Tisch einen Joint zu bauen, zu bauen, nicht zu rauchen, oder ob man damit rechnen müsse, gleich rauszufliegen. Er hat diese Frage gewissermaßen als Visitenkarte gewählt, als provokante Vorstellung seiner Person.
Sevi sieht ihn an, setzt ein ironisches Lächeln auf und meint, das gehe schon in Ordnung.
Die ersten Sekunden entscheiden alles. Instinktiv wissen wir nach ein paar Augenblicken übereinander, was es zu wissen gibt. Bei diesen beiden ist es nicht anders. Der Verlauf der Geschichte ist nun abgesteckt. Es wird die Ewigkeit dreier Tage dauern, bis sie sich die Parameter ihres Verhältnisses bewusst gemacht und die Konsequenzen daraus gezogen haben.