Jemima von Tautphoeus und Mary Howitt – zwei britische Schriftstellerinnen über Bayern

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Jemima Baronin von Tautphoeus (1807-1893) und Mary Howitt (1799-1888).

Bis Anfang des 19. Jahrhunderts ist Bayern für viele Einwohner*innen der Britischen Inseln Neuland. Die Grand Tour, die junge Männer des Adelstands als Teil ihrer Bildung vollziehen, ist hauptsächlich auf Italien fokussiert; manche führt die Reise zum Rheinland, aber von dort aus geht es in der Regel in die Schweiz weiter. Auch für die Dichter*innen der Romantik, die sich mit der Erhabenheit der Natur beschäftigen, sind das Reiseziel meist die schweizerischen und nicht die bayerischen Alpen. Heutzutage beliebte Attraktionen wie das Schloss Neuschwanstein (Baubeginn: 1869) oder das Oktoberfest (findet erstmals 1810 statt) sind damals noch nicht bekannt oder existent, und die katholischen Passionsspiele in Oberammergau (finden erstmals 1634 statt) erscheinen der überwiegend anglikanischen Bevölkerung in England befremdlich.   

Anfang/Mitte des 19. Jahrhunderts zieht es mehr Reisende nach Bayern, vereinfacht und möglicherweise auch mitverursacht durch den Reiseführer A Handbook of Travellers in Southern Germany, herausgegeben vom Verlag John Murray and Son. Viele der Reisenden sind schriftstellerisch tätig und schreiben über ihre Erfahrungen, weshalb die Geisteswissenschaftlerin Anna M. Buckett von der ‚Entdeckung‘ Bayerns durch britische Schriftsteller*innen spricht. Ein Großteil der Texte sind Reiseberichte und Sachbücher (z.B. über Aufenthalte in München oder die Madonna von Altötting), es finden sich aber auch fiktive Texte wie die von Jemima von Tautphoeus und Mary Howitt.

Jemima Baronin von Tautphoeus wird 1807 in Seaview (heute Nordirland) geboren. Sie reist nach Deutschland und lernt dort Cajetan Josef Friedrich Baron von Tautphoeus kennen, den sie 1838 in München heiratet und wo das Ehepaar einen Großteil seiner Zeit verbringt. 1857 kaufen sie die Burg Marquartstein in Traunstein an, angeregt durch Jemima von Tautphoeus' Engagement und ermöglicht durch ihre Einkünfte als Autorin.

Burg Marquartstein

Zwischen 1850 und 1863 verfasst sie vier Romane auf Englisch, die alle – zumindest teilweise – in Deutschland spielen und sich viel mit dem Leben in Bayern beschäftigen. Ihre konservative Einstellung zeigt sich häufig in einer Romantisierung Bayerns, welches sie im Kontrast zum sich immer schneller modernisierenden England sieht. Der einzige Roman, der nicht in Bayern spielt und keine englische bzw. irische Figur beinhaltet, die sich mit einer neuen Kultur auseinandersetzt, ist Cyrilla (1853). Tautphoeus stirbt 1893 in München.

Mary Howitt, geb. Botham, wird 1799 in Coleford (England) geboren und heiratet 1821 ihren Mann, den Quäker William Howitt, der ebenfalls literarisch tätig ist. Sie verfasst hauptsächlich Geschichten für Kinder sowie Gedichte und arbeitet als Übersetzerin und Lektorin. 1840 zieht sie mit ihrem Mann und ihren Kindern aufgrund des guten Rufs des deutschen Schulsystems und den günstigeren Lebenskosten nach Heidelberg. Dort leben sie für drei Jahre und ziehen danach wieder zurück nach England; Mary und William verarbeiten ihre Erfahrungen durch interkulturelle Themen in ihrem Schreiben und übersetzen auch Texte aus dem Deutschen ins Englische. Ihre Tochter, Anna Mary, kehrt später nach Deutschland zurück und erhält eine künstlerische Ausbildung, unter anderem unterrichtet von Wilhelm von Kaulbach. Mary Howitt stirbt 1888.

Verfasst von: Johanna Hadyk

Sekundärliteratur:

Buckett, Anna M. (1992): The 'Discovery' of Bavaria by British Travellers and Minor Novelists, 1830-1860. In: Language and Civilization: A Concerted Profusion of Essays and Studies in Honor of Otto Hietsch. Bd. 1. Hg. v. Claudia Blank. Peter Lang, Frankfurt, S. 335-380.

Drain, Susan (2004): Howitt [née Botham], Mary. In: Oxford Dictionary of National Biography.

Grabmüller, Uta (2009): Eine englische Schriftstellerin auf Burg Marquartstein: Baronin Jemima von Tautphoeus (1807-1893). In: Achentaler Hefte zur Heimatgeschichte 2.

Mulhall, Dan (2012): Eine irische Autorin im Bayern des 19. Jahrhunderts. In: Irland Journal 23, H. 1, S. 26-29.



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Kapelle, Burg Marquartstein in Traunstein
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