Wie über Indien schreiben?

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Bild von Jon Hoefer auf Pixabay

Wir konnten miterleben, dass Indien auch in der Rezeption der deutschsprachigen Literatur zwischen Romantisierung und (manchmal geradezu) Abscheu polarisiert. Wie in einem dialektischen Moment das eine sogar das andere bedingen mag. Wie der Versuch, dem einen entgegenzuwirken, dazu führen kann, ins Gegenteil umzukippen. Wie Techniken angewendet werden, um die Stereotypen zu unterlaufen. Und wir vermochten eine gewisse Entwicklung zu beobachten, hin zu einer postkolonialen, teils interkulturellen Weltliteratur. Alles in allem scheint es jedoch kein einfaches, über dieses Land und seine Leute zu schreiben. Zu komplex scheint Indien, zu widersprüchlich. Die Heterogenität des Subkontinents verwehrt sich einmütiger Porträts.

Der Münchner Dichter Albert Ostermaier (*1967) schreibt über Kalkutta etwas, das vielleicht für den Großteil Indiens gilt; nämlich sei sie „eine Stadt, die mit dem Körper erfahren wird, während der Verstand die Eindrücke nicht übersetzen weiß ins Vertraute.“ (Ostermaier, zit. n. Leena Kade-Luthra [Hg.]: Sehnsucht nach Indien. Literarische Annäherungen von Goethe bis Günter Grass. München 2006, S. 36.) Wenn man Indien überhaupt gerecht werden will, dann muss man ihm am ehesten in all seiner Ambivalenz begegnen. Etwas, das Ostermaier in seinem Gedichtzyklus Heartcore. Gedichte (1999) zumeist schafft. Dort heißt es beispielsweise in dem Gedicht amitava, das sich thematisch passend um die Frage von Erkenntnis und Wahrheit dreht: „wenn er freunde durch seine/ stadt führt manche sagen/ sie sei die hässlichste der Welt/ unter dem Lufttanz seiner hände/ wenn er spricht ist sie schön“. (Albert Ostermaier: Heartcore. Gedichte. Frankfurt a.M. 1999, S. 117.) In diesem Sinne kann man sich nur mehr Mut zum Unverständnis, mehr Courage zur Doppeldeutigkeit wünschen.

Verfasst von: Dr. Krisha Kops

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