Erika Mann am Tegernsee

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Tegernsee, Blick auf Rottach-Egern. Aus dem Fotoalbum von Grete Weil, um 1930 (Archiv Monacensia)

Die besonders eng mit dem Alpenvorland verbundene Erika Mann kauft sich Mitte der 50-er Jahre im tirolischen Ehrwald ein kleines Haus und benennt es, in Erinnerung an ihre großen Erfolge, nach dem politischen Kabarett „Pfeffermühle“. In ihrem Text Liebeserklärung an Bayern von 1930 erinnert sie sich, „angesichts des Stilbruchs, der so schmerzhaft durch die Welt geht“, auch an Bayern, u.a. an Oberammergau und an den Tegernsee. „Bayern scheint einen Schutzgeist zu haben“, der es nicht anficht und bewirkt, dass andernorts in der Welt die Erinnerung an die bayerische Heimat auf Reisen wachgerufen wird:

Man ist als Kind oft trotzig gewesen, weil man so sehr viele Aufsätze schreiben musste. Die hießen dann „Naturschönheiten der Schwäbisch-Bayerischen Hochebene“, „Die Bedeutung des Ludwigs-Donau-Main-Kanals“ und „Der Heimatgau mit seinen Bodenschätzen“ (wobei Penz- und Peißenberg eine entscheidende und unausrottbare Rolle spielten). Man beschloss bei sich, das Ganze als eine hässliche Puschel der Schule aufzufassen, fand den Heimatgau nicht schön, liebte das Meer mit einem Akzent, der sich unbedingt gegen das Schwäbisch-Bayerische richtete, und flocht, ließ es sich irgend machen, Einschränkendes über die Qualität der Holzkohlen in die Aufsätze ein. Ein paar Jahre hat es gedauert, ehe das überwunden war. Aber wie sehr spricht es für dieses Bayern, dass man nicht länger dazu brauchte.

Heute weiß ich nichts Hübscheres als, von der Reise kommend, irgendwoher, wo es kahl und großartig war, allmählich bayerische Landschaft auftauchen zu sehen, das Weite, Hügelhafte, Großzügige, Liebliche Anspruchslose; die Farben dieser Sumpfwiesen, die Wälder, hinter denen man die Berge weiß, das bebaute Feld und die Dörfer, von denen man schon wieder vergessen hatte, wie bezaubernd sie waren. Hatte man nicht geglaubt, man habe Einzigartiges gesehen, unterwegs, Unübertreffliches? Aber dies hier kann es aufnehmen damit, so viel ist sicher. Und wo gab es die Harmonie der Landschaft mit Bauten, Menschen, Trachten in einem so reinen Grade? Wo war sie so unverwüstlich? Es ist sonderbar: Aber Bayern scheint einen Schutzgeist zu haben, irgendeinen guten Engel. Nicht Amerikaner, nicht Radio-Apparate, nicht der eigene Spaß am Gewinn können dieses Land verderben. Oberammergau bleibt schön, – Tegernsee ist nicht umzubringen. (Zit. aus: Erika Mann: Blitze überm Ozean. Aufsätze, Reden, Reportagen. Hamburg 2000, S. 77-79. © Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2000)

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek

Sekundärliteratur:

Tworek, Elisabeth (2011): Literarische Sommerfrische. Künstler und Schriftsteller im Alpenvorland. Ein Lesebuch. Allitera Verlag, München, S. 48f., S. 256.