Albrecht Joseph am Tegernsee

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Am Tegernsee. Fotoalbum Grete Weil (Archiv Monacensia)

Der in Frankfurt aufgewachsene Filmregisseur, Cutter und Übersetzer Albrecht Joseph verbringt die Sommermonate regelmäßig im Tegernseer Tal, wo seine Eltern ein Ferienhaus besitzen. Dort lernt er diverse Berliner Schriftsteller kennen, die zur Sommerfrische kommen. Unter seinen persönlichen Begegnungen, über die er zahlreiche Essays verfasst, zählen auch jene mit Carl Zuckmayer, Ödön von Horváth, Max Mohr, Bruno Frank, Egon Friedell und Rudolf Borchardt. Mit Thomas Mann und dem Kritiker und Schriftsteller Alfred Polgar wohnt Joseph einer „Einladung zum Kegeln“ im Hause Franks bei:

Mein Bruder und ich wurden zu einer Lesung aus seiner Bearbeitung der Elenden eingeladen; die Franks besuchten unser Haus, und wir erhielten daraufhin eine Einladung zum Kegeln. Zur Seidenader-Villa gehörte eine eigene Kegelbahn in einem separaten Gebäude. Die Kegel wieder aufzustellen und die schweren Kugeln aus Eichenholz zurückzurollen, machte genauso viel Spaß wie das Kegeln selbst. Der eifrigste Kegeljunge war Thomas Mann, der an diesem Tag von München herübergekommen war. Der beste Kegler war Alfred Polgar. Schmächtig von Statur und scheinbar gar nicht bei der Sache, warf er doch wie mit des Teufels Beistand alle neun Kegel auf einen Streich über den Haufen. Ich meine mich zu erinnern, dass auch Strich dort war, zusammen mit seinem Bruder Walter, einem praktizierenden Philosophen, dem ersten seiner Art, der mir leibhaftig gegenüberstand. Er hatte keinen Lehrauftrag, saß nur in seinem schön eingerichteten Haus und schrieb Bücher, die niemand verstand. Seine freundliche, wohlhabende Frau ermöglichte ihm diesen Luxus. Und dann waren da noch Fritzi Massary, Liesls Mutter, damals Deutschlands Operettenstar, und ihr Mann, Max Pallenberg, der führende Komiker am deutschen Theater.

Im nächsten Sommer mieteten die Franks ein anderes Haus, die Villa d'Hengelière, die an der Uferseite derselben Straße von Tegernsee nach Rottach lag. Es war ein geräumiges, elegantes Haus, nach 1918 geschmackvoll im modernen Stil erbaut, mit einem Hof, auf dem gut ein Dutzend Kutschen oder Automobile Platz gefunden hätten. Am schönsten war die große Terrasse, von der man den See überblicken konnte. Es gab ein kleines Bootshaus mit einem hölzernen Landungssteg, auf dem man stundenlang in der Sonne liegen konnte, ferner ein Floß, das vor dem Ufer verankert war und noch eine Möglichkeit bot, sich auszustrecken, nichts zu tun und sich einfach wohlzufühlen. (Zit. aus: Albrecht Joseph: Portraits I. Carl Zuckmayer – Bruno Frank. Aachen 1993, S. 255-257, S. 258-261. © Weidle Verlag, Bonn 1993)

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek

Sekundärliteratur:

Tworek, Elisabeth (2011): Literarische Sommerfrische. Künstler und Schriftsteller im Alpenvorland. Ein Lesebuch. Allitera Verlag, München, S. 175f., S. 253f.