Literatur wie zwei Ripperl Schokolade
Oder nehmen wir Thomas Manns manische Liebe zum Beschreiben von Interieurs. Ich finde sie schwer erträglich, aber eben toll. Weil sie neben dem Sujet Zeugnis ablegt von der gesetzten, geordneten, heillosen, kindlichen Begeisterung des Erzählers für die Oberfläche. Nur auf dieser nämlich handelt er von Borten und Säumen, das entscheidende schwingt mit, bleibt aber unausgesprochen: die Soigniertheit großbürgerlicher Gemessenheit, der Gleichmut, mit dem dieses Milieu, vor dem Untergang stehend, die Form wahrt, ebenso wie ihr Autor, indem er ihr einen Nachruf widmet. In diesem Text wird gestorben, auf sehr vielen, miteinander verschränkten Ebenen. Wer das für antiquiert hält, lese einmal Karl Ove Knausgård. Das Prinzip ist ähnlich: Über viele Seiten hinweg passiert wenig Handlung, aber irgendwann, und dann immer wieder, merken die Leser, wie in ihnen etwas passiert. Es ist wie Wolken, die stundenlang unbemerkt kommen und gehen, die Sonne mal freigeben, mal verbergen, und irgendwann blickt man nach oben und merkt: Es wird Regen geben. Obwohl vom Wetter nie die Rede war.
Es gibt Literatur, die ist so gut, dass ich sie nicht zu Ende lesen kann. Kafkas Der Process. Sie sind wie diese Tafel Schokolade, 95 Prozent Kakao, die ewig im Regal liegt – mehr als zwei Ripperl am Tag sind nicht zu schaffen. Sie ist gut, aber sie schmeckt nicht gut. Sie geht nicht runter, sie macht sich breit auf Zunge und Gaumen. Sie stößt mir auf. Sie bleibt.
Bücher sind das ohne Weisheit. Bücher, die eher nicht zu meinen Lieblingsbüchern zählen. Bücher, um die ich einen Bogen mache. Bücher, die mir nicht geschrieben vorkommen. Bücher, die dem Leben nicht zuleibe rücken, sondern selber eines haben, eines sind.
Natürlich sind nicht alle Journalistenromane von Journalisten geschrieben, Unter Leuten zum Beispiel stammt von der gelernten Juristin Juli Zeh. Und natürlich sind nicht alle Romane, die Journalisten geschrieben haben, Journalistenromane, siehe etwa Christoph Ransmayr. Bei solchen Autoren handelt es sich dann aber um Doppelbegabungen. Es soll ja auch begnadete Filmbeleuchterinnen mit einem Händchen für das Entrußen von Schornsteinen geben, Autohändler, die weltbeste Torten backen, und Krankenschwestern mit einem Faible für Obstbaumschnitt.
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Oder nehmen wir Thomas Manns manische Liebe zum Beschreiben von Interieurs. Ich finde sie schwer erträglich, aber eben toll. Weil sie neben dem Sujet Zeugnis ablegt von der gesetzten, geordneten, heillosen, kindlichen Begeisterung des Erzählers für die Oberfläche. Nur auf dieser nämlich handelt er von Borten und Säumen, das entscheidende schwingt mit, bleibt aber unausgesprochen: die Soigniertheit großbürgerlicher Gemessenheit, der Gleichmut, mit dem dieses Milieu, vor dem Untergang stehend, die Form wahrt, ebenso wie ihr Autor, indem er ihr einen Nachruf widmet. In diesem Text wird gestorben, auf sehr vielen, miteinander verschränkten Ebenen. Wer das für antiquiert hält, lese einmal Karl Ove Knausgård. Das Prinzip ist ähnlich: Über viele Seiten hinweg passiert wenig Handlung, aber irgendwann, und dann immer wieder, merken die Leser, wie in ihnen etwas passiert. Es ist wie Wolken, die stundenlang unbemerkt kommen und gehen, die Sonne mal freigeben, mal verbergen, und irgendwann blickt man nach oben und merkt: Es wird Regen geben. Obwohl vom Wetter nie die Rede war.
Es gibt Literatur, die ist so gut, dass ich sie nicht zu Ende lesen kann. Kafkas Der Process. Sie sind wie diese Tafel Schokolade, 95 Prozent Kakao, die ewig im Regal liegt – mehr als zwei Ripperl am Tag sind nicht zu schaffen. Sie ist gut, aber sie schmeckt nicht gut. Sie geht nicht runter, sie macht sich breit auf Zunge und Gaumen. Sie stößt mir auf. Sie bleibt.
Bücher sind das ohne Weisheit. Bücher, die eher nicht zu meinen Lieblingsbüchern zählen. Bücher, um die ich einen Bogen mache. Bücher, die mir nicht geschrieben vorkommen. Bücher, die dem Leben nicht zuleibe rücken, sondern selber eines haben, eines sind.
Natürlich sind nicht alle Journalistenromane von Journalisten geschrieben, Unter Leuten zum Beispiel stammt von der gelernten Juristin Juli Zeh. Und natürlich sind nicht alle Romane, die Journalisten geschrieben haben, Journalistenromane, siehe etwa Christoph Ransmayr. Bei solchen Autoren handelt es sich dann aber um Doppelbegabungen. Es soll ja auch begnadete Filmbeleuchterinnen mit einem Händchen für das Entrußen von Schornsteinen geben, Autohändler, die weltbeste Torten backen, und Krankenschwestern mit einem Faible für Obstbaumschnitt.