Philip Bradatsch – die Vermeidung jeglichen Lagerdenkens

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Foto: Gunna Wendt

Singer, Songwriter, Gitarrenspieler, Wortschmied: Geboren in Kaufbeuren, lebt seit 2018 in München, begann mit zehn Jahren, Gitarre zu spielen. Er entdeckte die legendären Gitarrengötter wie Jimmy Page, die Bluesmusiker Robert Johnson und Blind Willie McTell sowie die großen Songwriter Neil Young und Bob Dylan. „Die offenkundigen Vorbilder von Bradatsch spielen nicht in einer anderen Liga als er. Sie sind nur vor ihm da gewesen“, heißt es dazu in der taz. 2020 erschien sein zweites Album bei Trikont: Jesus von Haidhausen.

Was ist Anarchismus für dich?

Anarchismus ist wohl vor allem etwas, das je nach Gemütslage schwer variieren kann. Beispielsweise mutet es an manchen Tagen ja schon anarchistisch an, den ersten Kaffee des Tages durch Schwarztee zu ersetzen. Im Grunde aber ist Anarchismus für mich eher eine Haltung, genauer gesagt die Weigerung, einer bestimmten Ideologie, politischen Richtung oder Meinung blind zu folgen. Alles zu hinterfragen. Auch Meinungen von Leuten, die einem lieb und teuer sind. Die unbedingte Vermeidung jeglichen Lagerdenkens.

Würdest du dich als Anarchist bezeichnen?

Puh, wenn ich mich als Anarchist bezeichnen würde, dann hätte ich ja laut obiger Definition schon verloren. Gut möglich, dass Leute aus meinem Umfeld das anders sehen würden.

Haben andere historische Anarchistinnen/Anarchisten für dich eine wichtige Rolle gespielt?

Würde ich nicht sagen. Oder besser gesagt kommt das dann auch wieder darauf an, wen man als Anarchisten bezeichnet. Leute wie Neil Young, Miles Davis oder Bob Dylan sind natürlich wunderbare musikalische Anarchisten, und die haben mich wiederum sehr geprägt. Nicht nur als Musiker, sondern auch in ihrer eigenwilligen Haltung.

Wen würdest du heute als Anarchist bezeichnen?

Mir fallen da tatsächlich nur Leute aus Kunst und Kultur ein, die drei oben genannten natürlich (auch wenn Miles Davis natürlich nicht mehr lebt), Jonathan Meese wäre ein Beispiel, vielleicht auch die österreichische Kabarettistin Lisa Eckart, die ja zuletzt sehr im Fokus der Medien stand. Schwierige Frage...

Anarchismus und Bayern – wie passt das für dich zusammen?

Auf den ersten Blick gar nicht, dann aber total: Ich glaube gerade das bayerische Klischee vom eher angepassten CSU-Wähler bringt ja anarchisches Denken hervor, siehe Polt, Söllner, Trikont, etc.

Alte Gebäude

Der schiefe Nebel der Zeit ist der Himmel über Allem
Die Sirenen der Vergangenheit zeigen wieder ihre Krallen
Stimmen, die aus den schwarzen Tiefen des Ozeans wiederhallen
Und voralpenländische Schlangenwesen
Ich zähl mir an den Zähnen ab wie's heute um mich steht
Virginia, oh, Virginia, was willst du denn noch so spät
Ein engelsgleicher Singsang, selbst der Flaschensammler dreht
Sich um und weiß, hier ist nie jemand gewesen

Eine Dunkelheit die klebrig ist doch ohne jeden Zorn
Die letzten Tage sind die schönsten, sagen sie, wenn der Krieg verloren
Ist und wenn die Tränen trocken sind gehen wir wieder ins Korn
Dein Colt schmeckt nach Lippenstift, Odysseus!
Die Kohlen sind im Feuer, das Leinen überm Bügel
Das Radio sendet Schockwellen vom Leiden überm Hügel
Der Glasfaserbundesadler schlägt langsam die Flügel
Prügelknabe, schau wie Pa sich ins Gesicht seufzt

Ich hab Angst vor alten Gebäuden und den Knochen die darin begraben liegen
Fürchte dich nicht vor all den Leuten die versuchen dir den Tag zu verbiegen

[...]

Der alte Ludwig, völlig zugedröhnt, spricht zu seinen Schergen
Werte Untertanen, heute ist ein guter Tag zum Sterben
Ich würd viel lieber schweigen als mich ewig zu erklären
Der Kokslöffel glitzert silbern in der Sonne
Und mit verräterischem Seufzen raunt Diener eins zu Diener zwei
Auf ein Glas heut Abend, ich dacht schon es wär nie vorbei
Ich hab seit Jahr und Tag schon genug von all der Dienerei
Versprich am Tor zu warten bis ich komme

Verfasst von: Gunna Wendt (Interview)