Zerlegen und Zusammensetzen
„Man will mich in meine einzelnen Teile zerlegen, das heißt auseinandernehmen. Man will mich aufs Podium ziehen und, wenn ich oben bin, wird dann von unten über jeden einzelnen dieser Bestandteile anhand jedes einzelnen Wortes, das ich sage, und jeder einzelnen Bewegung, die ich mache, und die dann plötzlich alle eine ganz bestimmte Bedeutung bekommen, getuschelt und herabgelacht. Sie dürfen nämlich nicht vergessen, dass mein Name durchaus keinen Schild und kein Haus und keine feste Burg darstellt. Ich muss das bisschen Namen und das bisschen Ansehen, das ich habe, ja von Fall zu Fall mit neuen Manuskripten immer wieder herstellen. Und es gibt immer ein paar Leute, denen es Spaß macht, mit ihren derbbeschuhten Füßen auf diesen Manuskripten herumzutrampeln. Unter diesen Bedingungen muss ich, um in die Welt zu gehen, immer den ganzen Mut zusammennehmen. Bis jetzt habe ich mir zwar so wenig Benachteiligungen wie möglich zugefügt, indem ich mit einer absurden Unerschütterlichkeit immer von neuem an mich geglaubt habe, aber jetzt, aber jetzt...“
(Der Austritt des Dichters Robert Walser aus dem Literarischen Verein)
Im Versuch, sich gegen die Verletzungen zu schützen, sind dem Dichter Robert Walser viele Empfindungen abhanden gekommen, zum Beispiel die Ruhmempfindung und die Trauerempfindung. Sogar das Lob kann zur Kränkung werden, wenn frühere, allgemein geschätzte und gepriesene Werke gegen die heutigen ausgespielt werden. Etwas, was man früher selbst geleistet hat, wird dazu benutzt, einem klarzumachen, wie nichtig man heute ist. Alles, Versäumtes wie Geleistetes, kann gegen den Künstler verwendet werden.
„Auch bin ich gewöhnt, dass die Menschen einander immer schnell allen Wert, alle Tauglichkeit absprechen. Erst wenn so ein Mensch dann tot oder lahm daliegt, kommt die Anerkenntnis.“
(Der Austritt des Dichters Robert Walser aus dem Literarischen Verein)
Gissinger fühlt sich von den Äußerungen des Dichters Robert Walser provoziert, aber am meisten stört ihn dessen Gleichmut. Wie er mit abgelaufenen Schuhen unangreifbar dasitzt, wie er trotz seines fast schon verwahrlosten Zustands unbeschwert scheint. Gissinger will ihn aufrütteln, beunruhigen, verstören und fragt ihn, wie er denn erwarten könne, von anderen respektiert zu werden, wenn er sich selber keinen Respekt entgegenbringe.
„Der Selbstrespekt kommt für mich nicht in Frage. Ich kann mein Ich weder respektieren noch lieben. Ich sehe es zwar, es lässt mich aber kalt. Ja, in meiner Jugend, da hat man mich hinauftragen wollen, aber da habe ich oben nicht atmen können. Höhere Persönlichkeiten sind nie in mein Kreise getreten, ich kann nur unten atmen.“
(Der Austritt des Dichters Robert Walser aus dem Literarischen Verein)
Gissinger fährt fort, den Dichter Robert Walser zu belehren, wie man sich in der Welt bewegen müsse, wenn man es zu etwas bringen will. In jedem Fall sei es ein großer Fehler, ganz auf die Kunst zu setzen und die bürgerliche Existenz sowie einen Brotberuf zu verpönen.
Wenn er jedoch unbedingt schreiben müsse, dann doch über Dinge, die von allgemeinem Interesse sind. Er schlägt dem Dichter Themen vor, rät ihm zu reisen, die Welt zu beschreiben. Der Dichter lehnt ab.
„Die Reduktion, Herr Vorstand, die ist nämlich genau so schön. Es ist genau so schön, ja, noch viel schöner, sich auf sein Zimmer und schließlich in eine Ecke seines Zimmers zurückzuziehen, als nach Afrika zu gehen. Oder anders ausgedrückt: Nichts zu sein, als etwas zu sein. Und dann mehr und mehr über weniger und weniger zu schreiben, und am Ende dann gar nichts mehr über gar nichts.“
Weitere Kapitel:
„Man will mich in meine einzelnen Teile zerlegen, das heißt auseinandernehmen. Man will mich aufs Podium ziehen und, wenn ich oben bin, wird dann von unten über jeden einzelnen dieser Bestandteile anhand jedes einzelnen Wortes, das ich sage, und jeder einzelnen Bewegung, die ich mache, und die dann plötzlich alle eine ganz bestimmte Bedeutung bekommen, getuschelt und herabgelacht. Sie dürfen nämlich nicht vergessen, dass mein Name durchaus keinen Schild und kein Haus und keine feste Burg darstellt. Ich muss das bisschen Namen und das bisschen Ansehen, das ich habe, ja von Fall zu Fall mit neuen Manuskripten immer wieder herstellen. Und es gibt immer ein paar Leute, denen es Spaß macht, mit ihren derbbeschuhten Füßen auf diesen Manuskripten herumzutrampeln. Unter diesen Bedingungen muss ich, um in die Welt zu gehen, immer den ganzen Mut zusammennehmen. Bis jetzt habe ich mir zwar so wenig Benachteiligungen wie möglich zugefügt, indem ich mit einer absurden Unerschütterlichkeit immer von neuem an mich geglaubt habe, aber jetzt, aber jetzt...“
(Der Austritt des Dichters Robert Walser aus dem Literarischen Verein)
Im Versuch, sich gegen die Verletzungen zu schützen, sind dem Dichter Robert Walser viele Empfindungen abhanden gekommen, zum Beispiel die Ruhmempfindung und die Trauerempfindung. Sogar das Lob kann zur Kränkung werden, wenn frühere, allgemein geschätzte und gepriesene Werke gegen die heutigen ausgespielt werden. Etwas, was man früher selbst geleistet hat, wird dazu benutzt, einem klarzumachen, wie nichtig man heute ist. Alles, Versäumtes wie Geleistetes, kann gegen den Künstler verwendet werden.
„Auch bin ich gewöhnt, dass die Menschen einander immer schnell allen Wert, alle Tauglichkeit absprechen. Erst wenn so ein Mensch dann tot oder lahm daliegt, kommt die Anerkenntnis.“
(Der Austritt des Dichters Robert Walser aus dem Literarischen Verein)
Gissinger fühlt sich von den Äußerungen des Dichters Robert Walser provoziert, aber am meisten stört ihn dessen Gleichmut. Wie er mit abgelaufenen Schuhen unangreifbar dasitzt, wie er trotz seines fast schon verwahrlosten Zustands unbeschwert scheint. Gissinger will ihn aufrütteln, beunruhigen, verstören und fragt ihn, wie er denn erwarten könne, von anderen respektiert zu werden, wenn er sich selber keinen Respekt entgegenbringe.
„Der Selbstrespekt kommt für mich nicht in Frage. Ich kann mein Ich weder respektieren noch lieben. Ich sehe es zwar, es lässt mich aber kalt. Ja, in meiner Jugend, da hat man mich hinauftragen wollen, aber da habe ich oben nicht atmen können. Höhere Persönlichkeiten sind nie in mein Kreise getreten, ich kann nur unten atmen.“
(Der Austritt des Dichters Robert Walser aus dem Literarischen Verein)
Gissinger fährt fort, den Dichter Robert Walser zu belehren, wie man sich in der Welt bewegen müsse, wenn man es zu etwas bringen will. In jedem Fall sei es ein großer Fehler, ganz auf die Kunst zu setzen und die bürgerliche Existenz sowie einen Brotberuf zu verpönen.
Wenn er jedoch unbedingt schreiben müsse, dann doch über Dinge, die von allgemeinem Interesse sind. Er schlägt dem Dichter Themen vor, rät ihm zu reisen, die Welt zu beschreiben. Der Dichter lehnt ab.
„Die Reduktion, Herr Vorstand, die ist nämlich genau so schön. Es ist genau so schön, ja, noch viel schöner, sich auf sein Zimmer und schließlich in eine Ecke seines Zimmers zurückzuziehen, als nach Afrika zu gehen. Oder anders ausgedrückt: Nichts zu sein, als etwas zu sein. Und dann mehr und mehr über weniger und weniger zu schreiben, und am Ende dann gar nichts mehr über gar nichts.“