Kunst und Wettbewerb
Im seinem Werk Der Austritt des Dichters Robert Walser aus dem Literarischen Verein (Novelle 1981, erstmals erschienen 1978 in der Neuen Rundschau und Hörspiel 1980) lässt Gert Hofmann den Dichter Robert Walser zu einer Lesung von Biel nach Bern reisen. Veranstalter ist der dortige Literarische Verein. Sein Vorstand, Oskar Gissinger, erfährt von dem eigenartig aussehenden, ärmlich gekleideten Gast, dass dieser den Weg von Biel nach Bern zu Fuß gegangen ist, weil er kein Geld für eine Bahnfahrkarte erhalten hat. Im Verlauf des Gesprächs, das zunächst im Hotel „Zum Volkshaus“, dann in den Straßen der Stadt, später in der Gastwirtschaft „Zur Gans“ und zuletzt in Gissingers Wohnzimmer geführt wird und in dessen Verlauf sich die beiden Männer immer fremder werden, wehrt sich der Dichter Robert Walser gegen das Ausbeutungssystem, das überall dort herrscht, wo es um Dichtung geht. Auch Literarische Preise zählen dazu. Sie erfüllen eine Funktion für den Literaturbetrieb, der sich in der Rolle des feinsinnigen Gönners gefällt. Herr Gissinger bietet ihm an, ihm durch den Literarischen Verein eine kleine Geldsumme zukommen zu lassen. Die Bedingung: er müsse sich mehr bemühen. Er müsse sich unter den Leuten umtun und zeigen, dass ihm an ihrem Interesse etwas gelegen ist. Für den Dichter Robert Walser kommt auf diesen Vorschlag nur eine Reaktion in Frage: ihn sofort vergessen.
Das Wettbewerbsdenken, das Einzug gehalten hat, in den Kulturbetrieb, ekelt den Dichter. Unwürdig nennt er die Zumutung, immerzu Hundertprozentiges ans Tageslicht zu ziehen.
„Lieber die Manuskripte verbrennen, als sich an so einem Rummel zu beteiligen.“
(Der Austritt des Dichters Robert Walser aus dem Literarischen Verein)
Es ist die große Angst des Dichters Robert Walser, vom Publikum auseinandergenommen zu werden, wenn er oben auf dem Podium sitzt. Er hat festgestellt, dass die Vortragsabende reine Gesellschaftsabende sind, die für das Publikum eine Zerstreuung und eine Ablenkung darstellen, während sie dem Dichter ebenso gut schaden wie nützen können. Das Publikum sitzt unten im schützendem Dunkel, während sich der Dichter oben auf dem Podium in gleißendem Licht zeigen muss. Jedes Wort und jede Geste erteilt Aufschluss über seine allerinnerste Zusammensetzung. Dass man ihn lesen hören will, ist nur ein Vorwand.
Weitere Kapitel:
Im seinem Werk Der Austritt des Dichters Robert Walser aus dem Literarischen Verein (Novelle 1981, erstmals erschienen 1978 in der Neuen Rundschau und Hörspiel 1980) lässt Gert Hofmann den Dichter Robert Walser zu einer Lesung von Biel nach Bern reisen. Veranstalter ist der dortige Literarische Verein. Sein Vorstand, Oskar Gissinger, erfährt von dem eigenartig aussehenden, ärmlich gekleideten Gast, dass dieser den Weg von Biel nach Bern zu Fuß gegangen ist, weil er kein Geld für eine Bahnfahrkarte erhalten hat. Im Verlauf des Gesprächs, das zunächst im Hotel „Zum Volkshaus“, dann in den Straßen der Stadt, später in der Gastwirtschaft „Zur Gans“ und zuletzt in Gissingers Wohnzimmer geführt wird und in dessen Verlauf sich die beiden Männer immer fremder werden, wehrt sich der Dichter Robert Walser gegen das Ausbeutungssystem, das überall dort herrscht, wo es um Dichtung geht. Auch Literarische Preise zählen dazu. Sie erfüllen eine Funktion für den Literaturbetrieb, der sich in der Rolle des feinsinnigen Gönners gefällt. Herr Gissinger bietet ihm an, ihm durch den Literarischen Verein eine kleine Geldsumme zukommen zu lassen. Die Bedingung: er müsse sich mehr bemühen. Er müsse sich unter den Leuten umtun und zeigen, dass ihm an ihrem Interesse etwas gelegen ist. Für den Dichter Robert Walser kommt auf diesen Vorschlag nur eine Reaktion in Frage: ihn sofort vergessen.
Das Wettbewerbsdenken, das Einzug gehalten hat, in den Kulturbetrieb, ekelt den Dichter. Unwürdig nennt er die Zumutung, immerzu Hundertprozentiges ans Tageslicht zu ziehen.
„Lieber die Manuskripte verbrennen, als sich an so einem Rummel zu beteiligen.“
(Der Austritt des Dichters Robert Walser aus dem Literarischen Verein)
Es ist die große Angst des Dichters Robert Walser, vom Publikum auseinandergenommen zu werden, wenn er oben auf dem Podium sitzt. Er hat festgestellt, dass die Vortragsabende reine Gesellschaftsabende sind, die für das Publikum eine Zerstreuung und eine Ablenkung darstellen, während sie dem Dichter ebenso gut schaden wie nützen können. Das Publikum sitzt unten im schützendem Dunkel, während sich der Dichter oben auf dem Podium in gleißendem Licht zeigen muss. Jedes Wort und jede Geste erteilt Aufschluss über seine allerinnerste Zusammensetzung. Dass man ihn lesen hören will, ist nur ein Vorwand.