Das endgültige Bild
Auch wenn der Künstler ein unabhängiger Schöpfer seiner Welten ist, benötigt er manchmal Modelle. Gert Hofmann nennt das, „die wirkliche Welt zu Rate ziehen“. In seinem Hörspiel Der Blindensturz (1985), das durch Pieter Brueghels 1569 entstandenes Bild „Gleichnis von den Blinden“ und vor allem durch die Aussagen des Malers Francis Bacon zu seiner Arbeitsweise angeregt wurde, zieht ein Maler eine Gruppe von Blinden zu Rate. Es ist sein Ziel, eine überzeugende Darstellung des menschlichen Schreis geben zu können. Damit will er alle Bilder, die er bis zu diesem Zeitpunkt gemalt hat, aber auch alle Bilder, die andere Maler gemalt haben, in den Hintergrund treten und unwichtig werden lassen. Er will in dieses abschließende und endgültige Bild alles hineinlegen, was er über die Welt zu sagen hat. Bisher ist es ihm nicht gelungen, bei seinem erneuten Versuch beschließt er, Modelle zu verwenden: eine Gruppe blinder Männer, die zusammen durch die Welt gehen. Sie werden in einer Reihe aufgestellt, eine Magd kontrolliert ihr Äußeres, bringt ihre Kappen und Kittel in Ordnung. Während sie prüfend an ihnen entlanggeht, schaut der Maler aus sicherer Distanz zu ihnen hinüber und lässt sich von einem Freund erklären, wie die Blinden aussehen und was sie tun. Dem Rat des Freundes, zu ihnen zu gehen und sie selbst anzuschauen, will er nicht folgen.
„Der bloße Anblick solcher Menschen, in die ich mich, wie ich nun einmal bin, sofort hineinversetze, hat auf mich... Ich kann keinen zerstörten Menschen sehen, ohne an meine eigene Zerstörung zu denken. Deshalb möchte ich sie mir, ehe ich sie dann betrachte, erst noch eine Weile vorstellen. Mir ausmalen, wie sie sein werden und wie es sein wird, wenn ich sie sehe. Erst dann, wenn ich sie mir lange genug ausgemalt und vorgestellt habe, werde ich sie betrachten, beim Malen, aber dann genau. Da dringe ich dann in sie ein, so tief wie menschenmöglich. Und obwohl ich dann so tief in sie eindringe, fühle ich mich ihnen nicht nahe, so dass meine Begegnung mit ihnen, dieses Aufeinanderstoßen, für mich zu ertragen ist. Denn in diesem Zustand, in dem ich bin, kann ich mir, das ist leider wahr, außerhalb meiner Kunst keine Art von Nähe, von Erregung leisten.“
(Der Blindensturz)
Der Maler hat Angst, dass ihm seine Modelle zu nahe kommen könnten. Als sie ihn ansprechen, wehrt er ab und fordert sie auf, in den Schutz der Bäume zurückzutreten. Noch fühlt er sich ihrem Anblick nicht gewachsen. Er geht vor seiner Staffelei auf und ab. Vergeblich bemüht er sich um Gelassenheit. Das Malen oder auch nur der Gedanke daran verdrängt alle anderen Gedanken und versetzt ihn in permanente Aufregung.
Weitere Kapitel:
Auch wenn der Künstler ein unabhängiger Schöpfer seiner Welten ist, benötigt er manchmal Modelle. Gert Hofmann nennt das, „die wirkliche Welt zu Rate ziehen“. In seinem Hörspiel Der Blindensturz (1985), das durch Pieter Brueghels 1569 entstandenes Bild „Gleichnis von den Blinden“ und vor allem durch die Aussagen des Malers Francis Bacon zu seiner Arbeitsweise angeregt wurde, zieht ein Maler eine Gruppe von Blinden zu Rate. Es ist sein Ziel, eine überzeugende Darstellung des menschlichen Schreis geben zu können. Damit will er alle Bilder, die er bis zu diesem Zeitpunkt gemalt hat, aber auch alle Bilder, die andere Maler gemalt haben, in den Hintergrund treten und unwichtig werden lassen. Er will in dieses abschließende und endgültige Bild alles hineinlegen, was er über die Welt zu sagen hat. Bisher ist es ihm nicht gelungen, bei seinem erneuten Versuch beschließt er, Modelle zu verwenden: eine Gruppe blinder Männer, die zusammen durch die Welt gehen. Sie werden in einer Reihe aufgestellt, eine Magd kontrolliert ihr Äußeres, bringt ihre Kappen und Kittel in Ordnung. Während sie prüfend an ihnen entlanggeht, schaut der Maler aus sicherer Distanz zu ihnen hinüber und lässt sich von einem Freund erklären, wie die Blinden aussehen und was sie tun. Dem Rat des Freundes, zu ihnen zu gehen und sie selbst anzuschauen, will er nicht folgen.
„Der bloße Anblick solcher Menschen, in die ich mich, wie ich nun einmal bin, sofort hineinversetze, hat auf mich... Ich kann keinen zerstörten Menschen sehen, ohne an meine eigene Zerstörung zu denken. Deshalb möchte ich sie mir, ehe ich sie dann betrachte, erst noch eine Weile vorstellen. Mir ausmalen, wie sie sein werden und wie es sein wird, wenn ich sie sehe. Erst dann, wenn ich sie mir lange genug ausgemalt und vorgestellt habe, werde ich sie betrachten, beim Malen, aber dann genau. Da dringe ich dann in sie ein, so tief wie menschenmöglich. Und obwohl ich dann so tief in sie eindringe, fühle ich mich ihnen nicht nahe, so dass meine Begegnung mit ihnen, dieses Aufeinanderstoßen, für mich zu ertragen ist. Denn in diesem Zustand, in dem ich bin, kann ich mir, das ist leider wahr, außerhalb meiner Kunst keine Art von Nähe, von Erregung leisten.“
(Der Blindensturz)
Der Maler hat Angst, dass ihm seine Modelle zu nahe kommen könnten. Als sie ihn ansprechen, wehrt er ab und fordert sie auf, in den Schutz der Bäume zurückzutreten. Noch fühlt er sich ihrem Anblick nicht gewachsen. Er geht vor seiner Staffelei auf und ab. Vergeblich bemüht er sich um Gelassenheit. Das Malen oder auch nur der Gedanke daran verdrängt alle anderen Gedanken und versetzt ihn in permanente Aufregung.