Die Fremden
Als „experimenteller Unterhalter“ und „Virtuose der Nachkriegsliteratur“ wird Gert Hofmann von dem Literaturkritiker Jens Jessen bezeichnet. In seinem Artikel vom 8. Januar 2015 in der ZEIT heißt es:
„Hofmann ist brillant, witzig und hoch raffiniert zugleich, er hat das Experiment mit der Erzählperspektive auf einen letzten Höhepunkt geführt – bevor der Absturz der deutschen Gegenwartsliteratur in eine brave Handwerkskunst begann. Vielleicht ist er auch darum so vergessen, weil sich niemand daran erinnern will, dass man das Zugängliche sehr wohl mit avanciertem Spiel verbinden kann.“
Wie kaum ein anderer Schriftsteller hat Gert Hofmann in seinen Werken die Auswirkungen unserer nationalsozialistischen Vergangenheit auf die Gegenwart sichtbar werden lassen. Oft sind Außenseiter seine Protagonisten. Mit einer schriftstellerischen Virtuosität, die an die Grenzen des Erträglichen reicht, lässt er sie das von der jüngsten Geschichte pervertierte Bewusstsein vorführen, das bis in unsere Gegenwart reicht. So auch in seiner Erzählung Empfindungen auf dem Lande aus dem Jahr 1991, in der Flüchtlinge auf heftige Ablehnung der Dorfbewohner stoßen. Der schon seit Jahren leerstehende Gasthof Riegel, in dem ein Teil der Flüchtlinge untergebracht werden sollte, ist niedergebrannt worden. Ein feindselig-bedrohlicher Empfang erwartet den Bus mit den Asylsuchenden.
„Fünfzehn Uhr fünfzehn sind wir dort und parken unseren Wagen. hinter dem eigenartigen Gebäude. Als wir um den Turm herumgehen, sehen wir, dass sich eine größere Menschenmenge, vielleicht achtzig oder hundert an der Bushaltestelle angesammelt hat. Dieselben wie schon heute morgen, nur eben ein paar mehr. Da, sage ich, woher wissen die, dass der Bus jetzt kommt? Denn wann die siebenundachtzig Asylsuchenden nach Dorfel hineingefahren werden, ist geheim, selbst wir haben es eben erst erfahren. Aber zufällig stehen die Leute bestimmt nicht hier, jemand muss sie benachrichtigt haben. Wieder ein Vertrauensbruch, denke ich, peinlich. Da noch Zeit ist, gehen wir mit unseren Regenmänteln über dem Arm hinter der Menge auf und nieder. Keiner grüßt uns, doch auch wir grüßen keinen, sondern blicken auf die Dorfeler Erde hinab. [...] Hier kommt keiner raus, rufen sie. Und klopfen auf die Motorhaube, weil der Fahrer inzwischen den Motor abgestellt und das Seitenfenster heruntergelassen hat und zu uns in den Graben schaut, er will wissen, was soll er tun.“
(Empfindungen auf dem Lande)
Weitere Kapitel:
Als „experimenteller Unterhalter“ und „Virtuose der Nachkriegsliteratur“ wird Gert Hofmann von dem Literaturkritiker Jens Jessen bezeichnet. In seinem Artikel vom 8. Januar 2015 in der ZEIT heißt es:
„Hofmann ist brillant, witzig und hoch raffiniert zugleich, er hat das Experiment mit der Erzählperspektive auf einen letzten Höhepunkt geführt – bevor der Absturz der deutschen Gegenwartsliteratur in eine brave Handwerkskunst begann. Vielleicht ist er auch darum so vergessen, weil sich niemand daran erinnern will, dass man das Zugängliche sehr wohl mit avanciertem Spiel verbinden kann.“
Wie kaum ein anderer Schriftsteller hat Gert Hofmann in seinen Werken die Auswirkungen unserer nationalsozialistischen Vergangenheit auf die Gegenwart sichtbar werden lassen. Oft sind Außenseiter seine Protagonisten. Mit einer schriftstellerischen Virtuosität, die an die Grenzen des Erträglichen reicht, lässt er sie das von der jüngsten Geschichte pervertierte Bewusstsein vorführen, das bis in unsere Gegenwart reicht. So auch in seiner Erzählung Empfindungen auf dem Lande aus dem Jahr 1991, in der Flüchtlinge auf heftige Ablehnung der Dorfbewohner stoßen. Der schon seit Jahren leerstehende Gasthof Riegel, in dem ein Teil der Flüchtlinge untergebracht werden sollte, ist niedergebrannt worden. Ein feindselig-bedrohlicher Empfang erwartet den Bus mit den Asylsuchenden.
„Fünfzehn Uhr fünfzehn sind wir dort und parken unseren Wagen. hinter dem eigenartigen Gebäude. Als wir um den Turm herumgehen, sehen wir, dass sich eine größere Menschenmenge, vielleicht achtzig oder hundert an der Bushaltestelle angesammelt hat. Dieselben wie schon heute morgen, nur eben ein paar mehr. Da, sage ich, woher wissen die, dass der Bus jetzt kommt? Denn wann die siebenundachtzig Asylsuchenden nach Dorfel hineingefahren werden, ist geheim, selbst wir haben es eben erst erfahren. Aber zufällig stehen die Leute bestimmt nicht hier, jemand muss sie benachrichtigt haben. Wieder ein Vertrauensbruch, denke ich, peinlich. Da noch Zeit ist, gehen wir mit unseren Regenmänteln über dem Arm hinter der Menge auf und nieder. Keiner grüßt uns, doch auch wir grüßen keinen, sondern blicken auf die Dorfeler Erde hinab. [...] Hier kommt keiner raus, rufen sie. Und klopfen auf die Motorhaube, weil der Fahrer inzwischen den Motor abgestellt und das Seitenfenster heruntergelassen hat und zu uns in den Graben schaut, er will wissen, was soll er tun.“
(Empfindungen auf dem Lande)