Die Epidemie
Gert Hofmanns Hörspiel Bericht über die Pest in London, erstattet von Bürgern der Stadt, die im Jahre 1665, zwischen Mai und November, daran zugrunde gingen zählt zu den Werken des Autors, die gerade heute von verblüffender Aktualität sind. In diesem Hörspiel, dessen Ursendung bereits 1968 stattfand, erweist sich Gert Hofmann einmal mehr als genauer Beobachter und Visionär. Er richtet sein Augenmerk auf die Informationspolitik der Stadtverwaltung während der Epidemie. Der Magistrat und die Beamten beteuern:
„Von Gefahr kann jedoch keine Rede sein! / Die Stadt ist längst über den Berg! / Die Stadt ist längst über alle Berge! / Deshalb Schwamm drüber, meine Freunde! / Unsre Stadt / Mai Sechzehnfünfundsechzig, / Liebe Bürger, / Ist gesund!“
(Bericht über die Pest in London)
Flüsternde Stimmen äußern ihre Vermutung über die Herkunft der Epidemie:
„Es kommt aus Holland! / Aus Zypern! Aus Zypern! / Unsinn! Die Türkei! Die Türkei! / Von Frankreich! Von Frankreich! / Aus Amsterdam!“
(Bericht über die Pest in London)
Auch eine reale historische Figur taucht in Gert Hofmanns Hörspiel auf: der Publizist Roger L’Estrange (1616-1704), der seine Laufbahn als Journalist, Übersetzer und Flugblattverfasser begann und schließlich zum Herausgeber und Zeitungsgründer avancierte. Er erteilt seinen Mitarbeitern Anweisungen zur Berichterstattung:
„Schreiben Sie: Um die Gerüchte über eine Seuche, / Die angeblich in London grassiert, / Ein für allemal aus der Welt zu schaffen, / Hat sich Monsieur L’Estrange entschlossen, / Die wöchentliche Zahl der Opfer / In seinem weltberühmten Blatt, / Dem ersten seiner Art, / Zum Abdruck zu bringen. / In London gestorben / In der ersten Woche im Juli: / Dreihundertsiebenundvierzig. / Davon an der Seuche: einer.“ (Bericht über die Pest in London)
Das Wort „Pest“ will er vermeiden, stattdessen lieber von „Seuche“ oder „Krankheit“ sprechen. Die Informationspolitik der nächsten zwei Wochen hat er bereits geplant:
„So bestehen die Opfer, / Die es wie Fliegen dahinrafft, / Etwas Ironie kann nicht schaden... [...] / ... vierzehn und aus siebzehn Seelen / Ausschließlich Kinder und Greise!“ Weiter beruhigt er mit dem Hinweis: „Von Londons einhundertunddreißig Gemeinden / Sind nur fünf betroffen. / Nein, schreiben Sie vier.“ Seinem Sekretär versichert er: „Alle Zahlen / Sind offiziell und authentisch.“
(Bericht über die Pest in London)
Weitere Kapitel:
Gert Hofmanns Hörspiel Bericht über die Pest in London, erstattet von Bürgern der Stadt, die im Jahre 1665, zwischen Mai und November, daran zugrunde gingen zählt zu den Werken des Autors, die gerade heute von verblüffender Aktualität sind. In diesem Hörspiel, dessen Ursendung bereits 1968 stattfand, erweist sich Gert Hofmann einmal mehr als genauer Beobachter und Visionär. Er richtet sein Augenmerk auf die Informationspolitik der Stadtverwaltung während der Epidemie. Der Magistrat und die Beamten beteuern:
„Von Gefahr kann jedoch keine Rede sein! / Die Stadt ist längst über den Berg! / Die Stadt ist längst über alle Berge! / Deshalb Schwamm drüber, meine Freunde! / Unsre Stadt / Mai Sechzehnfünfundsechzig, / Liebe Bürger, / Ist gesund!“
(Bericht über die Pest in London)
Flüsternde Stimmen äußern ihre Vermutung über die Herkunft der Epidemie:
„Es kommt aus Holland! / Aus Zypern! Aus Zypern! / Unsinn! Die Türkei! Die Türkei! / Von Frankreich! Von Frankreich! / Aus Amsterdam!“
(Bericht über die Pest in London)
Auch eine reale historische Figur taucht in Gert Hofmanns Hörspiel auf: der Publizist Roger L’Estrange (1616-1704), der seine Laufbahn als Journalist, Übersetzer und Flugblattverfasser begann und schließlich zum Herausgeber und Zeitungsgründer avancierte. Er erteilt seinen Mitarbeitern Anweisungen zur Berichterstattung:
„Schreiben Sie: Um die Gerüchte über eine Seuche, / Die angeblich in London grassiert, / Ein für allemal aus der Welt zu schaffen, / Hat sich Monsieur L’Estrange entschlossen, / Die wöchentliche Zahl der Opfer / In seinem weltberühmten Blatt, / Dem ersten seiner Art, / Zum Abdruck zu bringen. / In London gestorben / In der ersten Woche im Juli: / Dreihundertsiebenundvierzig. / Davon an der Seuche: einer.“ (Bericht über die Pest in London)
Das Wort „Pest“ will er vermeiden, stattdessen lieber von „Seuche“ oder „Krankheit“ sprechen. Die Informationspolitik der nächsten zwei Wochen hat er bereits geplant:
„So bestehen die Opfer, / Die es wie Fliegen dahinrafft, / Etwas Ironie kann nicht schaden... [...] / ... vierzehn und aus siebzehn Seelen / Ausschließlich Kinder und Greise!“ Weiter beruhigt er mit dem Hinweis: „Von Londons einhundertunddreißig Gemeinden / Sind nur fünf betroffen. / Nein, schreiben Sie vier.“ Seinem Sekretär versichert er: „Alle Zahlen / Sind offiziell und authentisch.“
(Bericht über die Pest in London)