Gert Hofmann. Zu Leben und Werk des Münchner Literaturpreisträgers
Gert Hofmann wurde am 29. Januar 1931 in Limbach in Sachsen geboren. Er wuchs im Haushalt der Großeltern auf. Karl Hofmann, der Großvater, arbeitete im Apollo-Kino in Limbach als Kinoerzähler.
Gert Hofmann besuchte dort die Volks- und Mittelschule. Im Alter von 14 Jahren wurde er wegen angeblicher Sabotage gegen die sowjetische Siegermacht relegiert und mehrere Monate inhaftiert. Er hat später versucht, diese Erlebnisse in einem Roman zu verarbeiten, der jedoch Fragment blieb und nicht veröffentlicht wurde.
Nach der Entlassung aus der Haft begann er eine Setzerlehre, nahm Privatunterricht in Sprachen und besuchte die Fremdsprachenschule in Leipzig. Mit Sondergenehmigung machte er Abitur und begann ein Slawistikstudium an der Universität Leipzig. Dort lernte er seine spätere Frau Eva Thomas kennen. 1951 verließ er die DDR und gelangte über Westberlin nach Freiburg, wo er Anglistik, Germanistik und Philosophie studierte. 1957 promovierte er über Henry James. Schon Anfang der fünfziger Jahre begann er, regelmäßig für den Rundfunk zu arbeiten. Sein erstes Hörspiel, Die Beiden aus Verona, schrieb er 1959. Es wurde ein Jahr später vom Bayerischen Rundfunk produziert. In der Folge entstanden an die 50 Hörspiele. An Auszeichnungen erhielt er: 1969 den Hörspielpreis von Radio Prag, 1973 den Jugoslawischen Hörspielpreis Radio Ohrid, 1980 den Prix Italia/Prix de la RAI und 1983 den Hörspielpreis der Kriegsblinden. Das erste Theaterstück Advokat Patelin entstand 1960 und wurde im darauffolgenden Jahr in Freiburg uraufgeführt. 8 weitere Theaterstücke folgten. Der erste Prosaband, Die Denunziation, erschien 1979. Es folgten 15 weitere.
Von 1961 bis 1971 war Gert Hofmann Germanistikdozent in Bristol und Edinburgh sowie Stipendiat in Yale und Berkeley, USA. Von 1971 bis 1981 lehrte er an der Universität Ljubljana.
1981 ließ sich Gert Hofmann mit seiner mittlerweile sechsköpfigen Familie in Erding bei München nieder. Die Zeit der Wanderjahre war vorbei, und es begann die wohl intensivste literarische Schaffensperiode seines Lebens, in der er beinahe jährlich ein Buch publizierte. Diese Periode wird vielleicht am eindringlichsten charakterisiert durch das, was im Hörspiel Der Blindensturz über die Arbeitsweise des Malers gesagt wird:
„Zwar nehme er sich immer wieder vor, die Malerei gelassen auszuüben, aber sobald er erst einmal einen Pinsel in der Hand hat, ist er wie besessen.“
Oder durch eine Aussage Gert Hofmanns im Gespräch:
„Bei mir ist das Schreiben eine stark zwanghafte Tätigkeit. Ich werde, glaube ich, ziemlich kontrolliert von dieser Tätigkeit. Leider bin ich nicht in der Lage, diese Tätigkeit zu kontrollieren.“
Oder durch eine Aussage des Kinoerzählers im gleichnamigen Roman:
„Die Kunst kennt das Wort ‚später‘ nicht. Sie kennt nur das Wort ‚ jetzt‘! Jetzt!“
1993 wurde Gert Hofmann der Literaturpreis der Stadt München verliehen. In der Jurybegründung heißt es: „So gelingt in seinen Büchern etwas, worin die deutsche Literatur der Gegenwart ansonsten spürbaren Mangel leidet: sprachliche Brillanz und ästhetisches Vergnügen zu verbinden mit der Entlarvung von Inhumanität, Intoleranz und Gleichgültigkeit.“
Im selben Jahr, am 1. Juli 1993, starb Gert Hofmann an den Folgen eines Hirnschlags. Erst nach seinem Tod erschien das von der Kritik hochgelobte Buch Die kleine Stechardin (1994). Es ist die fiktive Geschichte über die Liebe zwischen dem Universalgelehrten Georg Christoph Lichtenberg und der 23 Jahre jüngeren Analphabetin Maria Dorothea Stechard, die als Hausmädchen zu ihm kommt.
1995 wurde Gert Hofmann postum -- zusammen mit seinem Sohn, dem Lyriker und Übersetzer Michael Hofmann -- der Independent Foreign Fiction Preis für den Roman Der Kinoerzähler (1990) verliehen.
Quellen:
- Bericht über die Pest in London, erstattet von Bürgern der Stadt, die im Jahre 1665, zwischen Mai und November, daran zugrunde gingen (Hörspiel 1968)
- Empfindungen auf dem Lande (Erzählungen 1991)
- Der Kinoerzähler (Roman 1990)
- Der große Stunk (Hörspiel 1990)
- Die Beiden aus Verona (Hörspiel 1959)
- Der Blindensturz (Erzählung, Hörspiel 1985)
- Der Stein (Hörspiel 1962)
- Auf dem Turm (Roman 1993)
- Die kleine Stechardin (Roman 1999)
- Der Austritt des Dichters Robert Walser aus dem Literarischen Verein (Novelle 1981, erstmals erschienen 1978 in der Neuen Rundschau und Hörspiel 1980)
- Gert Hofmann im Gespräch mit Gunna Wendt (1990)
Sekundärliteratur:
Wendt, Gunna (1997): Zerlegen und Zusammensetzen. Gert Hofmanns literarische Welten. München.
Weitere Kapitel:
Gert Hofmann wurde am 29. Januar 1931 in Limbach in Sachsen geboren. Er wuchs im Haushalt der Großeltern auf. Karl Hofmann, der Großvater, arbeitete im Apollo-Kino in Limbach als Kinoerzähler.
Gert Hofmann besuchte dort die Volks- und Mittelschule. Im Alter von 14 Jahren wurde er wegen angeblicher Sabotage gegen die sowjetische Siegermacht relegiert und mehrere Monate inhaftiert. Er hat später versucht, diese Erlebnisse in einem Roman zu verarbeiten, der jedoch Fragment blieb und nicht veröffentlicht wurde.
Nach der Entlassung aus der Haft begann er eine Setzerlehre, nahm Privatunterricht in Sprachen und besuchte die Fremdsprachenschule in Leipzig. Mit Sondergenehmigung machte er Abitur und begann ein Slawistikstudium an der Universität Leipzig. Dort lernte er seine spätere Frau Eva Thomas kennen. 1951 verließ er die DDR und gelangte über Westberlin nach Freiburg, wo er Anglistik, Germanistik und Philosophie studierte. 1957 promovierte er über Henry James. Schon Anfang der fünfziger Jahre begann er, regelmäßig für den Rundfunk zu arbeiten. Sein erstes Hörspiel, Die Beiden aus Verona, schrieb er 1959. Es wurde ein Jahr später vom Bayerischen Rundfunk produziert. In der Folge entstanden an die 50 Hörspiele. An Auszeichnungen erhielt er: 1969 den Hörspielpreis von Radio Prag, 1973 den Jugoslawischen Hörspielpreis Radio Ohrid, 1980 den Prix Italia/Prix de la RAI und 1983 den Hörspielpreis der Kriegsblinden. Das erste Theaterstück Advokat Patelin entstand 1960 und wurde im darauffolgenden Jahr in Freiburg uraufgeführt. 8 weitere Theaterstücke folgten. Der erste Prosaband, Die Denunziation, erschien 1979. Es folgten 15 weitere.
Von 1961 bis 1971 war Gert Hofmann Germanistikdozent in Bristol und Edinburgh sowie Stipendiat in Yale und Berkeley, USA. Von 1971 bis 1981 lehrte er an der Universität Ljubljana.
1981 ließ sich Gert Hofmann mit seiner mittlerweile sechsköpfigen Familie in Erding bei München nieder. Die Zeit der Wanderjahre war vorbei, und es begann die wohl intensivste literarische Schaffensperiode seines Lebens, in der er beinahe jährlich ein Buch publizierte. Diese Periode wird vielleicht am eindringlichsten charakterisiert durch das, was im Hörspiel Der Blindensturz über die Arbeitsweise des Malers gesagt wird:
„Zwar nehme er sich immer wieder vor, die Malerei gelassen auszuüben, aber sobald er erst einmal einen Pinsel in der Hand hat, ist er wie besessen.“
Oder durch eine Aussage Gert Hofmanns im Gespräch:
„Bei mir ist das Schreiben eine stark zwanghafte Tätigkeit. Ich werde, glaube ich, ziemlich kontrolliert von dieser Tätigkeit. Leider bin ich nicht in der Lage, diese Tätigkeit zu kontrollieren.“
Oder durch eine Aussage des Kinoerzählers im gleichnamigen Roman:
„Die Kunst kennt das Wort ‚später‘ nicht. Sie kennt nur das Wort ‚ jetzt‘! Jetzt!“
1993 wurde Gert Hofmann der Literaturpreis der Stadt München verliehen. In der Jurybegründung heißt es: „So gelingt in seinen Büchern etwas, worin die deutsche Literatur der Gegenwart ansonsten spürbaren Mangel leidet: sprachliche Brillanz und ästhetisches Vergnügen zu verbinden mit der Entlarvung von Inhumanität, Intoleranz und Gleichgültigkeit.“
Im selben Jahr, am 1. Juli 1993, starb Gert Hofmann an den Folgen eines Hirnschlags. Erst nach seinem Tod erschien das von der Kritik hochgelobte Buch Die kleine Stechardin (1994). Es ist die fiktive Geschichte über die Liebe zwischen dem Universalgelehrten Georg Christoph Lichtenberg und der 23 Jahre jüngeren Analphabetin Maria Dorothea Stechard, die als Hausmädchen zu ihm kommt.
1995 wurde Gert Hofmann postum -- zusammen mit seinem Sohn, dem Lyriker und Übersetzer Michael Hofmann -- der Independent Foreign Fiction Preis für den Roman Der Kinoerzähler (1990) verliehen.
Quellen:
- Bericht über die Pest in London, erstattet von Bürgern der Stadt, die im Jahre 1665, zwischen Mai und November, daran zugrunde gingen (Hörspiel 1968)
- Empfindungen auf dem Lande (Erzählungen 1991)
- Der Kinoerzähler (Roman 1990)
- Der große Stunk (Hörspiel 1990)
- Die Beiden aus Verona (Hörspiel 1959)
- Der Blindensturz (Erzählung, Hörspiel 1985)
- Der Stein (Hörspiel 1962)
- Auf dem Turm (Roman 1993)
- Die kleine Stechardin (Roman 1999)
- Der Austritt des Dichters Robert Walser aus dem Literarischen Verein (Novelle 1981, erstmals erschienen 1978 in der Neuen Rundschau und Hörspiel 1980)
- Gert Hofmann im Gespräch mit Gunna Wendt (1990)
Wendt, Gunna (1997): Zerlegen und Zusammensetzen. Gert Hofmanns literarische Welten. München.