Von den Kammerspielen zur Bonbonniere – Thereses doppelter Einsatz

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Therese Giehse in der Garderobe der "Bonbonniere", 1933 (c) Archiv Monacensia/Rowohlt Verlag

Am Samstag, den 14. Januar 1933 kurz nach 21 Uhr verließ eine kleine gedrungene Frau die Kammerspiele im Laufschritt Richtung Wurzerstraße, bog Am Kosttor links ab in die Neuturmstraße, wo sich in der Hausnummer 5 ihr Ziel befand: die Bonbonniere, in der in wenigen Minuten die Vorstellung der Pfeffermühle begann. Da Therese Giehse in einer der ersten Nummern auftrat, musste sie sich sehr beeilen, um in der Pause der Aufführung von Gerhart Hauptmanns Die Ratten von einer Bühne zur anderen zu gelangen. Es war zwar kein weiter Weg, man brauchte etwa fünf Minuten, doch sollte man die Riesenbelastung nicht unterschätzen, die es bedeutet, von einem Thema zu einem ganz anderen, von einer Rolle zu einer ganz anderen umzuschalten. Auch Kostümwechsel waren damit verbunden. Gerade noch in einer ihrer großen differenzierten Frauenrollen, Frau John, brilliert, stand sie kurze Zeit später auf der Brettlbühne in der Bonbonniere und gab, gemeinsam mit dem Pianisten Magnus Henning, die Nummer „Hofsänger“ zum Besten:

Was willst Du? Butter?! Freche Bohne!
Die Butter macht Dich faul und fett!
Weit wichtiger ist die Kanone
Und die Granate überm Bett.

Zwar habe das erste Programm der Pfeffermühle noch nicht ganz dem entsprochen, was sie und Therese Giehse mit ihrem Kabarett beabsichtigten – man habe sich vorsichtig herangetastet – erklärte Erika Mann im Nachhinein, doch habe es sich schon deutlich abgesetzt von den üblichen Kleinkunstveranstaltungen. „Das heitere Gespött schien uns schon sehr fehl am Platze.“ Es sei ihnen einerseits „totenernst“ zumute gewesen, andererseits hätten sie doch genug Humor in sich verspürt, um ihrer absurden Situation ins Auge zu schauen.

Der Bombenwurf befreit die Sklaven,
Das weiß ein jedes Kind bereits,
Wer wirft nochmal? Die meisten treffen
Zwar aus Versehn das rote Kreuz.

Den Pakt schließt man, um ihn zu brechen
Da wundert sich bald keiner mehr.
Von Frieden spricht man, um zu sprechen.
Derweil marschiert das Militär.

Nachdem Therese ihren Auftritt in der Pfeffermühle absolviert hatte, lief sie zurück in die Gerhart Hauptmann-Kulisse der Kammerspiele und widmete sich weiter dem Schicksal der Frau John, das auf eine Katastrophe zusteuerte. Als die dortige Vorstellung um 22.30 Uhr vorbei war, rannte sie nach dem lang anhaltenden Applaus wieder in die Bonbonniere zum Finale. Die Vorstellung der Pfeffermühle endete um Mitternacht, doch danach ging man noch lange nicht nach Hause.

Verfasst von: Bayerische Staatsbibliothek / Gunna Wendt