Weiblicher Champion – Erikas Auto-Leidenschaft

https://www.literaturportal-bayern.de/images/lpbthemes/2020/klein/KAPV_4Erika-mannRrennfahrerin_500.jpg
Erika Mann als Rennfahrerin. Foto: Max Fez. (c) Archiv Monacensia

Autofahren war Erika Manns große Leidenschaft. So sehr, dass sie den Entschluss fasste, an der Rallye teilzunehmen, die die Firma Ford und der Allgemeine Deutsche Automobilclub im Frühjahr 1931 ausschrieb. Die Strecke umfasste 10.000 Kilometer und führte durch acht europäische Länder: Deutschland – Schweiz – Frankreich – Spanien – Portugal – Österreich – Ungarn – Jugoslawien. Am 24. Mai 1931 ging sie zusammen mit ihrem Beifahrer Ricki Hallgarten an den Start. Ausgangspunkt war Berlin, insgesamt fünfzehn Paare machten mit. Zehn Tage waren für das Rennen angesetzt, das bedeutete ein Tagespensum von 1.000 Kilometern. Um das zu schaffen, mussten sie auf Pausen verzichten, stattdessen nebenbei, z.B. beim Tanken oder Reifenwechsel, essen und die Landkarte studieren. Zum Schlafen kamen sie so gut wie gar nicht, vor allem Erika nicht, denn sie lieferte von unterwegs Etappenberichte an die Zeitschriften Ford im Bild und Tempo und genoss den „tollen Ausnahmezustand“, bei dem sie „die Länder weit öfter wechselten als die Kleider“.

In ihrem ersten Bericht unter dem Titel Fahrt ohne Schlaf heißt es: „Dabei sind wir, der Richard Hallgarten und ich, von einer entschlossenen Genusssucht der Landschaft  und allem gegenüber, was wir sehen. Passiert uns ein kleiner Umweg, gleich reden wir uns auf die tolle Schönheit grade dieser Straße hinaus, wir sehen wirklich, auch bei 90 Kilometer Geschwindigkeit, und haben, vorläufig, noch was davon.“ Nicht nur die Tour selbst machte ihnen Spaß, auch das Ergebnis: Sie gewannen das Rennen und wurden am 6. Juni begeistert auf dem Kurfürstendamm empfangen. Das Medieninteresse an der Siegerin, die mit ihrer modischen Kleidung und ihrer Kurzhaarfrisur den Prototyp der „neuen Frau“ verkörperte, hervorragend Auto fuhr, fachmännisch Reifen wechselte und dank eines absolvierten Automonteurkurses mit eventuellen Pannen fertig wurde, war riesig. Die Fotografen rissen sich darum, Erika im Renn-Outfit mit ihren ledernen Autohandschuhen zu fotografieren. Und zur großen Freude der Gewinnerin bestand der Preis für den souveränen Sieg in dem Auto, mit dem sie das Rennen bestritten hatten. Einmal mehr zeigte sich Erika Mann ihrer Umgebung als emanzipierte, selbstbestimmte Frau, die sich gegen Widerstände verschiedenster Art durchzusetzen vermochte und vor allem ihren Bruder damit beeindruckte.

Das Autofahren inspirierte Erika zu Glossen wie Sport und Charakter. Darin rät sie, wenn man jemanden „ausprobieren“ möchte, eine gemeinsame Autofahrt. Nach nur einer Nachtfahrt wisse man so gut wie alles: „Wer nicht abblendet, wird dir eines Tages dein Erbteil stehlen und dir auch sonst peinlich auf die Nerven gehen.“

Verfasst von: Bayerische Staatsbibliothek / Gunna Wendt