Mark Twain am Alpenrand
Der für seine Jugendbücher Tom Sawyers und Huckleberry Finns Abenteuer berühmte amerikanische Autor Mark Twain tritt 1878 mit einer kleinen Reisegruppe eine Europatour durch Deutschland, die Schweiz und Oberitalien an. Sein amüsantes Reisebuch Bummel durch Europa führt in Deutschland von Hamburg über Frankfurt, Heidelberg und den Schwarzwald bis an den Alpenrand:
Den ganzen Nachmittag über waren wir bergauf gewandert. Gegen fünf Uhr oder halb sechs erreichten wir den Gipfel, und mit einem Mal teilte sich der dichte Vorhang des Waldes, und wir schauten in ein tiefes, herrliches Tal hinunter und weit über bewaldete Berge hinweg, deren Gipfel in der Sonne leuchteten, während ihre schneisendurchfurchten Hänge von violetten Schatten gedämpft wurden. Das enge Tal zu unseren Füßen – es hieß Allerheiligen – bot am Ende seiner grasbewachsenen Sohle gerade Raum genug für ein behagliches, wonnevolles Menschennest, an das die Welt mit ihren Belästigungen nicht heranreichte, und folglich war es den Mönchen in alter Zeit auch nicht entgangen; und da standen die schmucken braunen Ruinen ihrer Kirche und ihres Klosters als Zeugen dafür, dass die Priester vor siebenhundert Jahren einen ebenso feinen Instinkt hatten wie die Priester heutzutage, wenn es darum ging, die erlesensten Winkel und Ecken des Landes aufzuspüren.
Ein großes Hotel verdrängt die Ruinen nun ein wenig und betreibt ein lebhaftes Geschäft mit Sommerfrischlern. Wir stiegen ins Tal hinab und nahmen ein Abendessen zu uns, das sehr zufriedenstellend gewesen wäre, hätte man die Forellen nur nicht gekocht. Überlässt man die Deutschen sich selber, servieren sie eine Forelle und überhaupt ist alles mit Sicherheit gekocht. Dies ist ein Beweis von einiger Stichhaltigkeit zur Unterstützung der Theorie, dass sie die ursprünglichen Besiedler der unwirtlichen Inseln vor der schottischen Küste waren. Ein mit Apfelsinen beladener Schoner ging vor ein paar Jahren vor einer dieser Inseln zu Bruch, und die zahmen Wilden liehen dem Kapitän so bereitwillig ihre Hilfe, dass er ihnen so viele Apfelsinen schenkte, wie sie haben wollten. Am Tage darauf fragte er sie, wie sie ihnen geschmeckt hätten. Sie schüttelten den Kopf und antworteten:
„Gebraten waren sie zäh; und auch gekocht waren sie nicht gerade das, was einem hungrigen Mann das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt.“ (Zit. aus: Mark Twain: Bummel durch Deutschland. München 2006, S. 201f., S. 208-210. © Vandenhoeck & Ruprecht Verlag, Göttingen 3. Aufl. 1967)
Sekundärliteratur:
Klein, Michael (2015): Mark Twain in München (Stationen, 16). Morio Verlag, Heidelberg.
Ders. (Hg.) (2016): Mark Twain in Bayern. Erzählungen, Reiseberichte, Briefe. Allitera Verlag, München.
Tworek, Elisabeth (2011): Literarische Sommerfrische. Künstler und Schriftsteller im Alpenvorland. Ein Lesebuch. Allitera Verlag, München, S. 136, S. 264.
Weitere Kapitel:
Der für seine Jugendbücher Tom Sawyers und Huckleberry Finns Abenteuer berühmte amerikanische Autor Mark Twain tritt 1878 mit einer kleinen Reisegruppe eine Europatour durch Deutschland, die Schweiz und Oberitalien an. Sein amüsantes Reisebuch Bummel durch Europa führt in Deutschland von Hamburg über Frankfurt, Heidelberg und den Schwarzwald bis an den Alpenrand:
Den ganzen Nachmittag über waren wir bergauf gewandert. Gegen fünf Uhr oder halb sechs erreichten wir den Gipfel, und mit einem Mal teilte sich der dichte Vorhang des Waldes, und wir schauten in ein tiefes, herrliches Tal hinunter und weit über bewaldete Berge hinweg, deren Gipfel in der Sonne leuchteten, während ihre schneisendurchfurchten Hänge von violetten Schatten gedämpft wurden. Das enge Tal zu unseren Füßen – es hieß Allerheiligen – bot am Ende seiner grasbewachsenen Sohle gerade Raum genug für ein behagliches, wonnevolles Menschennest, an das die Welt mit ihren Belästigungen nicht heranreichte, und folglich war es den Mönchen in alter Zeit auch nicht entgangen; und da standen die schmucken braunen Ruinen ihrer Kirche und ihres Klosters als Zeugen dafür, dass die Priester vor siebenhundert Jahren einen ebenso feinen Instinkt hatten wie die Priester heutzutage, wenn es darum ging, die erlesensten Winkel und Ecken des Landes aufzuspüren.
Ein großes Hotel verdrängt die Ruinen nun ein wenig und betreibt ein lebhaftes Geschäft mit Sommerfrischlern. Wir stiegen ins Tal hinab und nahmen ein Abendessen zu uns, das sehr zufriedenstellend gewesen wäre, hätte man die Forellen nur nicht gekocht. Überlässt man die Deutschen sich selber, servieren sie eine Forelle und überhaupt ist alles mit Sicherheit gekocht. Dies ist ein Beweis von einiger Stichhaltigkeit zur Unterstützung der Theorie, dass sie die ursprünglichen Besiedler der unwirtlichen Inseln vor der schottischen Küste waren. Ein mit Apfelsinen beladener Schoner ging vor ein paar Jahren vor einer dieser Inseln zu Bruch, und die zahmen Wilden liehen dem Kapitän so bereitwillig ihre Hilfe, dass er ihnen so viele Apfelsinen schenkte, wie sie haben wollten. Am Tage darauf fragte er sie, wie sie ihnen geschmeckt hätten. Sie schüttelten den Kopf und antworteten:
„Gebraten waren sie zäh; und auch gekocht waren sie nicht gerade das, was einem hungrigen Mann das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt.“ (Zit. aus: Mark Twain: Bummel durch Deutschland. München 2006, S. 201f., S. 208-210. © Vandenhoeck & Ruprecht Verlag, Göttingen 3. Aufl. 1967)
Klein, Michael (2015): Mark Twain in München (Stationen, 16). Morio Verlag, Heidelberg.
Ders. (Hg.) (2016): Mark Twain in Bayern. Erzählungen, Reiseberichte, Briefe. Allitera Verlag, München.
Tworek, Elisabeth (2011): Literarische Sommerfrische. Künstler und Schriftsteller im Alpenvorland. Ein Lesebuch. Allitera Verlag, München, S. 136, S. 264.