Marc Kelly Smith und die Entstehung des Poetry Slam

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Marc Kelly Smith im März 2009 © pierre@lazone

Der weltweit erste Poetry Slam findet am 20. Juli 1986 in Chicago statt. Der damals 37-jährige Bauarbeiter und Gedichteschreiber Marc Kelly Smith hat die Nase voll von traditionellen Wasserglaslesungen und sucht nach einem neuen Weg, Literatur für die breite Gesellschaft emotional erfahrbar zu machen. So entwickelt er in der Jazzbar „Green Mill“ eine wöchentlich stattfindende Literaturveranstaltung.

Diese besteht anfangs aus mehreren wiederkehrenden Elementen: einem Open Mic, das jeder Person die Möglichkeit gibt, eigene Text vorzutragen, ohne dass diese bewertet werden, einem Slot für geladene Gäste sowie einem Auftritt des von Smith selbst gegründeten Performance Poetry Teams, dem „Chicago Poetry Ensemble“. Das Format eines Wettstreits zwischen verschiedenen Auftretenden, bei dem das Publikum den Sieger ermittelt, konzipiert Smith zunächst nur als Lückenfüller, schnell entwickelt sich dieser aber zur Hauptattraktion der Show.

Den Begriff Poetry Slam erfindet Smith dabei – so erzählt er selbst – spontan, als ihn ein Journalist am Telefon fragt, wie das Format denn heiße. Er habe nebenbei ein Baseballspiel im Fernsehen angeschaut und sei so von dem Wort Slam inspiriert worden. Dieses kommt aus dem US-amerikanischen Ballsport, bedeutet so viel wie „kräftiger Schlag“ oder „Hieb“ und erscheint Smith passend, um den Wettbewerbscharakter sowie die energetische Spannung seines Veranstaltungsformats treffend zu beschreiben.

Während in der „Green Mill“ eine ausverkaufte Show nach der anderen stattfindet, steigt auch das Medieninteresse an Poetry Slam immer weiter und nach und nach werden in weiteren US-amerikanischen Städten ähnliche Veranstaltungen ins Leben gerufen. So sind es 1992 bereits 17 Städte, die sich zu einer Art Nationalmeisterschaft in Boston treffen.

Ein Jahr später überquert das Veranstaltungsformat den Ozean und in Finnland, Schweden und Großbritannien finden die ersten Slams statt. In Deutschland taucht die Bezeichnung Poetry Slam erstmals 1994 für ein Veranstaltungsformat in Berlin auf. Ab 1996 werden in München, Frankfurt am Main und Düsseldorf regelmäßig Slams abgehalten.

In den darauffolgenden Jahren wächst die Zahl der veranstalteten Slams immer weiter. Im deutschsprachigen Raum finden heute regelmäßig mehrere hundert verschiedene Slam-Reihen statt (Stand 2013: ca. 300). Neben den lokalen Events werden jährlich auch zahlreiche Regionalmeisterschaften sowie die deutschsprachigen Meisterschaften mit jeweils wechselndem Veranstaltungsort ausgetragen.

Verfasst von: Marina Babl

Sekundärliteratur:

Sulaiman Masomi: Poetry Slam. Eine orale Kultur zwischen Tradition und Moderne. Paderborn 2012, S. 17f.

Maria Ackermann (22.11.2005): „The guy who invented poetry slam…“ Marc Kelly Smith und seine Philosophie des Dichter-Wettkampfs. LEO – Lingua et Opinio. Abgerufen am 20.10.2019 unter https://web.archive.org/web/20140209203538/http://www.tu-chemnitz.de/phil/leo/rahmen.php?seite=r_kult/ackermann_poetryslam.php.

Ko Bylanzky und Rayl Patzak: Planet Slam. Das Universum Poetry Slam. München 2002, S. 159ff.

Anke Groenewold (24.07.2013): Bielefeld: Gipfeltreffen der Poetry Slammer. Neue Westfälische. Abgerufen am 20.10.2019 unter https://www.nw.de/nachrichten/kultur/kultur/8916160_Bielefeld-Gipfeltreffen-der-Poetry-Slammer.html?em_cnt=8916160.


Externe Links:

Website von Marc Kelly Smith

Website Green Mill Chicago