Die gefälschte Gesellschaft: „Das Paradies der falschen Vögel“ (1953)

Eine Vertraute Hildesheimers war Patricia Highsmith. Die amerikanische Erfolgsautorin spürt in ihren Kriminalgeschichten mit Vorliebe dem Unterschied von Sein und Schein, Wirklichkeit und Fälschung nach. 1952 besucht sie den Kollegen in Ambach und logiert in bescheidenen Verhältnissen im Bierbichler-Haus. Sie berichtet von einem Raum „in Ambach, bei München, mit einer so niedrigen Decke, dass ich an einem Ende nicht aufrecht darin stehen konnte, eine frühere Mädchenkammer“. Seine Liebe zur englischsprachigen Literatur vertieft Hildesheimer derweil als Übersetzer: In den 1960er- und 1970er-Jahren übersetzt er unter anderem Werke von Samuel Beckett und George Bernard Shaw.

Das Paradies der falschen Vögel von Hildesheimer ist ein Roman aus dem Jahr 1953, der sich in einer Hörspiel-Kurzfassung ebenso diesem Thema verschreibt:

Er behandelt eine staatlich angelegte Kunstfälschung – eine Satire auf das Wirtschaftswunder der Bundesrepublik. Gleich zu Beginn des Romans wird der Fälscher eingeführt, dessen Lebensgeschichte des Fälschens auf den nächsten Seiten entspinnt wird: „Der Maler Ayax Mazyrka, der ‚Procegovinische Rembrandt‘ benannt, eine der bedeutendsten Erscheinungen der Kunstgeschichte, hat niemals existiert. Seine Werke sind gefälscht, und die Geschichte seines Lebens ist eine Fiktion.“ (Wolfgang Hildesheimer: Paradies der faschen Vögel. In: Gesammelte Werke in sieben Bänden. Hg. von Christiaan Lucas Hart Nibbrig und Volker Jehle. Frankfurt am Main 1991. Bd. 1: Erzählende Prosa, S. 157.)

Hildesheimer, geprägt durch die vergangenen Ereignisse in dem „Land der Mörder“, schließt auch in seinen weiteren Texten an das Phänomen des falschen Fuffzigers, der falschen Freunde an (Masante, 1973; Mozart, 1977; Marbot, 1981), die nach seiner Ambacher Zeit in einem anderen selbstgewählten Exil entstehen sollten: in Poschiavo (Graubünden), wo er sich ab 1957 niederlassen wird. Für seine Prosa Tysnet erhält er 1965 – zu dieser Zeit liegt die Schaffenszeit in Ambach schon hinter ihm – den Georg-Büchner-Preis.

 

Quelle:

Wolfgang Hildesheimer: Paradies der faschen Vögel. In: Gesammelte Werke in sieben Bänden. Hg. von Christiaan Lucas Hart Nibbrig und Volker Jehle. Frankfurt am Main 1991. Bd. 1: Erzählende Prosa.

Verfasst von: Bayerische Staatsbibliothek / Dr. Nastasja S. Dresler