Dichterwege – Auf den Spuren von Jean Paul
Am Anfang von Johann Paul Friedrich Richters schriftstellerischer Karriere steht ein Brief des Kollegen Karl Philipp Moritz. Richter hatte Moritz das Manuskript seines ersten Romans Die unsichtbare Loge zugesandt – und Moritz antwortet nicht nur umgehend, sondern auch sichtlich erregt über dieses literarische „Juwel“: „Wo wohnen Sie? Wie heißen Sie? Wer sind Sie?“. Dass es sich bei dem Verfassernamen „Jean Paul“, der das Deckblatt des Manuskripts ziert, um ein Pseudonym handelt, ahnt Moritz natürlich. Dass dahinter ein weitgehend unbekannter Satirenschreiber steckt, überrascht ihn dagegen. Die unsichtbare Loge ist gleichsam die Geburtsurkunde des Autors Jean Paul: Fortan publiziert Richter all seine Werke unter diesem Namen.
Tatsächlich ist es kein Zufall, dass Moritz den Autor zuallererst nach dessen Wohnort fragt, noch bevor er sich nach dem Namen erkundigt. Denn Jean Pauls Werk zeichnet sich nicht nur durch das Spiel mit Identitäten und Genealogien aus, sondern mindestens in demselben Maße auch durch die Erfindung berückender, buchstäblich fantastischer Landschaften, die seiner Heimat Oberfranken ähnlich sehen und sich doch ganz anders vorstellen. Die Dörfer in Jean Pauls Werken heißen Hukelum oder Kuhschnappel, die indischen Molukken verortet der Autor im (durchweg fiktiven) Fürstentum Scheerau, ein Ballonfahrer namens Gianozzo fliegt in seinem „Siechkobel“ durch die Lüfte, und Kutschfahrten wie Wanderungen werden ein ums andere Mal als Schreibszenen inszeniert.
Den Hintergrund dieser manchmal gar expressionistisch klingenden literarischen Vermessung der Welt bildet der ungewöhnlich kleine Radius von Jean Pauls realem Alter Ego: Johann Paul Friedrich Richter wird als Sohn eines Wunsiedler Pfarrers geboren, das Geld ist beständig knapp; die Familie zieht erst nach Schwarzenbach an der Saale, dann nach Hof. Zum Studium geht der junge Richter nach Leipzig, später lebt er kurze Zeit in Weimar, kurze Zeit in Berlin, doch weiter hinaus in die Welt kommt er nie. Nirgends hält es ihn lange – bis er, mittlerweile mit Frau und drei Kindern, im Jahr 1804 nach Bayreuth zieht, wo er endlich heimisch wird (obwohl er natürlich auch über diese Stadt und deren Bewohner nicht selten sich entrüstet).
*
Nimmt man Jean Pauls kritische Faszination sowohl für die Ideen der Aufklärung als auch für die technischen Entwicklungen hinzu, muss die Frage, ob eine Smartphone-App ein passendes Geschenk für diesen Dichter darstellt, mit einem klaren Ja beantwortet werden – der 250. Geburtstag von Jean Paul im Jahr 2013 bot dazu reichlich Anlass.
Das Präsent trug den Namen Dichterwege. Auf den Spuren von Jean Paul, war als Location-Based-Services-Applikation gestaltet und fungierte als digitaler Wanderführer auf dem Jean-Paul-Weg in Oberfranken, der mit Texten und Literaturzitaten auf Tafeln vielfältige Bezüge zu Jean Pauls Gedanken und seinen Werken herstellt. Außerdem ermöglichte es ein intensives Kennenlernen des Schriftstellers mittels Lese- und Hörproben seiner Werke. Zusätzlich standen ausführliche Informationen über sein Leben, seine vielfältigen Beziehungen und sein Umfeld zur Verfügung. Durch die App führte Jean Paul höchstpersönlich als Comicfigur mit seinem Hund. Letzterer kam sogar selbst mit als „Hundspost“ bezeichneten Zitaten zu Wort.
Die App wurde von der Bayerische Staatsbibliothek und der Bayerischen Sparkassenstiftung in Zusammenarbeit mit dem Verbundprojekt Jean-Paul-Weg in Oberfranken und dem Verein Jean Paul 2013 sowie der Agentur P.medien entwickelt. Im Literaturportal Bayern werden ihre Inhalte jetzt neu vorgestellt, angereichert um weitere interessante Verbindungen und Verknüpfungen zu Jean Paul im Portal. Ein Themenessay, der den langen Weg des Dichters imposant nachzeichnet: Wie aus dem Satiriker Johann Paul Friedrich Richter der große Jean Paul wurde – und schließlich eine Comicfigur.
Weitere Kapitel:
Am Anfang von Johann Paul Friedrich Richters schriftstellerischer Karriere steht ein Brief des Kollegen Karl Philipp Moritz. Richter hatte Moritz das Manuskript seines ersten Romans Die unsichtbare Loge zugesandt – und Moritz antwortet nicht nur umgehend, sondern auch sichtlich erregt über dieses literarische „Juwel“: „Wo wohnen Sie? Wie heißen Sie? Wer sind Sie?“. Dass es sich bei dem Verfassernamen „Jean Paul“, der das Deckblatt des Manuskripts ziert, um ein Pseudonym handelt, ahnt Moritz natürlich. Dass dahinter ein weitgehend unbekannter Satirenschreiber steckt, überrascht ihn dagegen. Die unsichtbare Loge ist gleichsam die Geburtsurkunde des Autors Jean Paul: Fortan publiziert Richter all seine Werke unter diesem Namen.
Tatsächlich ist es kein Zufall, dass Moritz den Autor zuallererst nach dessen Wohnort fragt, noch bevor er sich nach dem Namen erkundigt. Denn Jean Pauls Werk zeichnet sich nicht nur durch das Spiel mit Identitäten und Genealogien aus, sondern mindestens in demselben Maße auch durch die Erfindung berückender, buchstäblich fantastischer Landschaften, die seiner Heimat Oberfranken ähnlich sehen und sich doch ganz anders vorstellen. Die Dörfer in Jean Pauls Werken heißen Hukelum oder Kuhschnappel, die indischen Molukken verortet der Autor im (durchweg fiktiven) Fürstentum Scheerau, ein Ballonfahrer namens Gianozzo fliegt in seinem „Siechkobel“ durch die Lüfte, und Kutschfahrten wie Wanderungen werden ein ums andere Mal als Schreibszenen inszeniert.
Den Hintergrund dieser manchmal gar expressionistisch klingenden literarischen Vermessung der Welt bildet der ungewöhnlich kleine Radius von Jean Pauls realem Alter Ego: Johann Paul Friedrich Richter wird als Sohn eines Wunsiedler Pfarrers geboren, das Geld ist beständig knapp; die Familie zieht erst nach Schwarzenbach an der Saale, dann nach Hof. Zum Studium geht der junge Richter nach Leipzig, später lebt er kurze Zeit in Weimar, kurze Zeit in Berlin, doch weiter hinaus in die Welt kommt er nie. Nirgends hält es ihn lange – bis er, mittlerweile mit Frau und drei Kindern, im Jahr 1804 nach Bayreuth zieht, wo er endlich heimisch wird (obwohl er natürlich auch über diese Stadt und deren Bewohner nicht selten sich entrüstet).
*
Nimmt man Jean Pauls kritische Faszination sowohl für die Ideen der Aufklärung als auch für die technischen Entwicklungen hinzu, muss die Frage, ob eine Smartphone-App ein passendes Geschenk für diesen Dichter darstellt, mit einem klaren Ja beantwortet werden – der 250. Geburtstag von Jean Paul im Jahr 2013 bot dazu reichlich Anlass.
Das Präsent trug den Namen Dichterwege. Auf den Spuren von Jean Paul, war als Location-Based-Services-Applikation gestaltet und fungierte als digitaler Wanderführer auf dem Jean-Paul-Weg in Oberfranken, der mit Texten und Literaturzitaten auf Tafeln vielfältige Bezüge zu Jean Pauls Gedanken und seinen Werken herstellt. Außerdem ermöglichte es ein intensives Kennenlernen des Schriftstellers mittels Lese- und Hörproben seiner Werke. Zusätzlich standen ausführliche Informationen über sein Leben, seine vielfältigen Beziehungen und sein Umfeld zur Verfügung. Durch die App führte Jean Paul höchstpersönlich als Comicfigur mit seinem Hund. Letzterer kam sogar selbst mit als „Hundspost“ bezeichneten Zitaten zu Wort.
Die App wurde von der Bayerische Staatsbibliothek und der Bayerischen Sparkassenstiftung in Zusammenarbeit mit dem Verbundprojekt Jean-Paul-Weg in Oberfranken und dem Verein Jean Paul 2013 sowie der Agentur P.medien entwickelt. Im Literaturportal Bayern werden ihre Inhalte jetzt neu vorgestellt, angereichert um weitere interessante Verbindungen und Verknüpfungen zu Jean Paul im Portal. Ein Themenessay, der den langen Weg des Dichters imposant nachzeichnet: Wie aus dem Satiriker Johann Paul Friedrich Richter der große Jean Paul wurde – und schließlich eine Comicfigur.