Sexuelle Abklärung
Zum Gewaltakt wird auch der Sexualakt – was besonders bemerkenswert vor dem Hintergrund der zeitgleichen sexuellen Befreiung scheint: Der Mann aus den Riesenzwergen stellt seine Männlichkeit unter Beweis und giert egoistisch nach seinem Höhepunkt, während die sittliche Frau sich keusch zu geben, in keinem Fall Lust zu empfinden hat. Auch der dritte Roman Das Berührungsverbot (1970) thematisiert die nüchterne Sexualität und die Hölle im Ehebett. Entsprechend distanziert und steril fällt die Schreibweise aus – Elsner präsentiert hier einen regelrechten Anti-Porno. Dem ehelichen Zwang die freie Liebe entgegenzusetzen kommt ihr nicht in den Sinn: Den '68er-Impuls, alternative Formen der gelebten Sexualität als politisches Instrument zu betrachten, lehnt sie ab. Das abgeklärte, unpoetische bzw. wenig betörende Vokabular für sexuelle Erscheinungen und Vorgänge lässt Trostlosigkeit anstelle von Lustgefühlen treten. Das Berührungsverbot richtet sich daher nicht nur gegen die bundesdeutsche Wirklichkeit in den Schlafzimmern, wo Sex als Dienstleistung der Ehefrau, der Körper eine Tauschware – ein Tausch gegen materielle Sicherheit an der Seite des Familienoberhaupts – darstellt, sondern auch gegen den Lustfetischismus der Kommunarden. Der Koitus wird zu einem Teil des Konsumterrors. Wo auf der einen Seite Lieblosigkeit aufscheint, wird auf der anderen die freie Liebe als Triebgymnastik enttarnt.
Sekundärliteratur:
Künzel, Christine (2012): „Ich bin eine schmutzige Satirikerin“. Zum Werk Gisela Elsners (1937-1992). Sulzbach/Taunus.
Weitere Kapitel:
Zum Gewaltakt wird auch der Sexualakt – was besonders bemerkenswert vor dem Hintergrund der zeitgleichen sexuellen Befreiung scheint: Der Mann aus den Riesenzwergen stellt seine Männlichkeit unter Beweis und giert egoistisch nach seinem Höhepunkt, während die sittliche Frau sich keusch zu geben, in keinem Fall Lust zu empfinden hat. Auch der dritte Roman Das Berührungsverbot (1970) thematisiert die nüchterne Sexualität und die Hölle im Ehebett. Entsprechend distanziert und steril fällt die Schreibweise aus – Elsner präsentiert hier einen regelrechten Anti-Porno. Dem ehelichen Zwang die freie Liebe entgegenzusetzen kommt ihr nicht in den Sinn: Den '68er-Impuls, alternative Formen der gelebten Sexualität als politisches Instrument zu betrachten, lehnt sie ab. Das abgeklärte, unpoetische bzw. wenig betörende Vokabular für sexuelle Erscheinungen und Vorgänge lässt Trostlosigkeit anstelle von Lustgefühlen treten. Das Berührungsverbot richtet sich daher nicht nur gegen die bundesdeutsche Wirklichkeit in den Schlafzimmern, wo Sex als Dienstleistung der Ehefrau, der Körper eine Tauschware – ein Tausch gegen materielle Sicherheit an der Seite des Familienoberhaupts – darstellt, sondern auch gegen den Lustfetischismus der Kommunarden. Der Koitus wird zu einem Teil des Konsumterrors. Wo auf der einen Seite Lieblosigkeit aufscheint, wird auf der anderen die freie Liebe als Triebgymnastik enttarnt.
Künzel, Christine (2012): „Ich bin eine schmutzige Satirikerin“. Zum Werk Gisela Elsners (1937-1992). Sulzbach/Taunus.