München ’68 – Eine Stadt und ihre Literatur in Aufbruchstimmung
München im Jahre 1968 – in der bayerischen Landeshauptstadt bricht sich der revolutionäre Geist der '68er-Bewegung Bahn und leitet eine Umbruchphase ein, die den Kulturbetrieb und ihre Kunstschaffenden aus dem Schatten der Nachkriegszeit hervortreten lässt. Die Kunst des Umbruchs will sich dabei vor allem als eine Kunst der Praxis verstehen. Dramatiker, Dichter wie auch Bildende Künstler kommen darin überein, dass sie eine gesellschaftliche Veränderung herbeiführen wollen. So suchen die reformerischen Bühnenstücke ähnlich wie die Studentenschaft, die auf die Straße stürmt, um das Establishment zu demontieren, die Öffentlichkeitswirksamkeit: Das Publikum ist nicht mehr länger nur Rezipient – es wird in den Gegenstand seiner Betrachtung und visuellen Lektüre mit einbezogen. Die Grenzen zwischen dramatischem Bühnenstück und Bildender Kunst werden im Spektakel des Happenings aufgebrochen, und seine Akteure bilden ein Forum fernab der angesehenen Spielstätten und Kulturinstitutionen – die „Kunststadt München“ ist gerade Schauplatz des praktisch-künstlerischen Protests, während die Brennpunkte Frankfurt oder Berlin eher Brutstätten der Theorienbildung sind.
Die 60er/70er-Jahre markieren somit nicht nur einen Meilenstein insofern, als sie eine avantgardistische Ausdruckform formulieren. 1968 ist auch die Geburtsstunde derjenigen subkulturellen Institutionen, die mittlerweile selbst etabliert sind, unter anderem das Programmkino. Die Literatur wiederum experimentiert mit Schreibweisen und bringt eine neue Dimension der Gesellschaftsbeschreibung und Sozialkritik in ihren Themenkatalog ein, um sich die Realität so unvermittelt wie möglich einzuverleiben und die Schranken zwischen Kunst und Leben zu überwinden. In diesem Spannungsfeld etablieren sich Autorennamen wie die der früheren oder späteren Wahlmünchner Wolfgang Koeppen (Tauben im Gras), Gisela Elsner (Die Riesenzwerge), Karin Struck (Klassenliebe), Wolfgang Bächler (Traumprotokolle), Gert Heidenreich (Füchse jagen) und Uwe Timm (mit seinem Romanerfolg Heißer Sommer) sowie der Gastbeitrag Bernward Vespers, der seine Münchner Eindrücke in seinem legendären '68er-Fragment Die Reise wiedergibt.
Schauplätze des Umbruchs sind unter anderem die Münchner Kammerspiele, die ein Ensemble mit deutschlandweiter Ausstrahlung beschäftigen und Stücke von Dramatikern wie Martin Sperr und Siegfried Sommer zeigen. Als Bühnen für das politische Kabarett etablieren sich das radikal kapitalismuskritische Rationaltheater auf der einen und die bürgerlich-sozialdemokratisch ausgerichtete Münchner Lach- und Schießgesellschaft auf der anderen Seite, die vom Kabarettisten und Erfolgsautor Dieter Hildebrandt ihr Gepräge erhält. Und auch die Gattung Film avanciert zu einem bedeutenden Ausdrucksmittel, die mit Herbert Achternbusch, mal schreibendem, mal drehendem Multitalent, eine bissig-lästerliche Note erhält. Die revoltierenden Bildkünstler finden hingegen Gehör in der jüngst als Ausstellungshaus eröffneten Villa Stuck, oder steigen unmittelbar in den Untergrund hinab, um ihre eigenwilligen Raumkonzepte in den Münchner U-Bahnhöfen zu erproben.
Weitere Kapitel:
München im Jahre 1968 – in der bayerischen Landeshauptstadt bricht sich der revolutionäre Geist der '68er-Bewegung Bahn und leitet eine Umbruchphase ein, die den Kulturbetrieb und ihre Kunstschaffenden aus dem Schatten der Nachkriegszeit hervortreten lässt. Die Kunst des Umbruchs will sich dabei vor allem als eine Kunst der Praxis verstehen. Dramatiker, Dichter wie auch Bildende Künstler kommen darin überein, dass sie eine gesellschaftliche Veränderung herbeiführen wollen. So suchen die reformerischen Bühnenstücke ähnlich wie die Studentenschaft, die auf die Straße stürmt, um das Establishment zu demontieren, die Öffentlichkeitswirksamkeit: Das Publikum ist nicht mehr länger nur Rezipient – es wird in den Gegenstand seiner Betrachtung und visuellen Lektüre mit einbezogen. Die Grenzen zwischen dramatischem Bühnenstück und Bildender Kunst werden im Spektakel des Happenings aufgebrochen, und seine Akteure bilden ein Forum fernab der angesehenen Spielstätten und Kulturinstitutionen – die „Kunststadt München“ ist gerade Schauplatz des praktisch-künstlerischen Protests, während die Brennpunkte Frankfurt oder Berlin eher Brutstätten der Theorienbildung sind.
Die 60er/70er-Jahre markieren somit nicht nur einen Meilenstein insofern, als sie eine avantgardistische Ausdruckform formulieren. 1968 ist auch die Geburtsstunde derjenigen subkulturellen Institutionen, die mittlerweile selbst etabliert sind, unter anderem das Programmkino. Die Literatur wiederum experimentiert mit Schreibweisen und bringt eine neue Dimension der Gesellschaftsbeschreibung und Sozialkritik in ihren Themenkatalog ein, um sich die Realität so unvermittelt wie möglich einzuverleiben und die Schranken zwischen Kunst und Leben zu überwinden. In diesem Spannungsfeld etablieren sich Autorennamen wie die der früheren oder späteren Wahlmünchner Wolfgang Koeppen (Tauben im Gras), Gisela Elsner (Die Riesenzwerge), Karin Struck (Klassenliebe), Wolfgang Bächler (Traumprotokolle), Gert Heidenreich (Füchse jagen) und Uwe Timm (mit seinem Romanerfolg Heißer Sommer) sowie der Gastbeitrag Bernward Vespers, der seine Münchner Eindrücke in seinem legendären '68er-Fragment Die Reise wiedergibt.
Schauplätze des Umbruchs sind unter anderem die Münchner Kammerspiele, die ein Ensemble mit deutschlandweiter Ausstrahlung beschäftigen und Stücke von Dramatikern wie Martin Sperr und Siegfried Sommer zeigen. Als Bühnen für das politische Kabarett etablieren sich das radikal kapitalismuskritische Rationaltheater auf der einen und die bürgerlich-sozialdemokratisch ausgerichtete Münchner Lach- und Schießgesellschaft auf der anderen Seite, die vom Kabarettisten und Erfolgsautor Dieter Hildebrandt ihr Gepräge erhält. Und auch die Gattung Film avanciert zu einem bedeutenden Ausdrucksmittel, die mit Herbert Achternbusch, mal schreibendem, mal drehendem Multitalent, eine bissig-lästerliche Note erhält. Die revoltierenden Bildkünstler finden hingegen Gehör in der jüngst als Ausstellungshaus eröffneten Villa Stuck, oder steigen unmittelbar in den Untergrund hinab, um ihre eigenwilligen Raumkonzepte in den Münchner U-Bahnhöfen zu erproben.