Carry Brachvogel: Die „Neue Frau“ und die 1920er-Jahre
Zugeschnitten auf die Gegebenheiten der Weimarer Republik, wird in den 1920er-Jahren in den Medien die „Neue Frau“ als Leitbild präsentiert. Diese übt einen Beruf aus, den sie als Mittel der Selbstverwirklichung ansieht, ist ledig oder in einer Kameradschaftsehe verheiratet, jung, sportlich, fesch gekleidet, finanziell anscheinend unabhängig, hat einen Bubikopf, raucht und ist sexuell selbstbestimmt. Die Umsetzung gelingt meist nur Frauen aus der Oberschicht, die neue Schicht der weiblichen Angestellten eifert nur oberflächlich dem medialen Wunschbild nach. Carry Brachvogel steht diesem Typus positiv gegenüber, zumal sie selbst und ihre Mitstreiterinnen im Verein für Fraueninteressen die nun propagierte „Neue Frau“ ja selbst schon seit dem Fin de siècle gelebt haben, wenngleich auch ohne Bubikopf und die anderen nun geforderten äußerlichen Attribute. Auch geraucht hat Carry Brachvogel immer schon. Und so äußert sie sich denn in Feuilletons und kulturhistorischen Essays nun sowohl humorvoll als auch satirisch über das jetzige Leitbild „Neue Frau“, über die „zu Wahlrecht und Bubikopf berechtigte Mama und ihre Tochter“ und „Die Dame mit der Zigarette“.
In den 1920er-Jahren erlebt Carry Brachvogel den letzten Höhepunkt ihres Schaffens. 1923, ein Jahr vor ihrem 60. Geburtstag, kommen gleich drei Werke heraus: Im Weissblauen Land, Phantastische Legenden und Weißes Gold. Alle drei erhalten höchstes Lob und spiegeln wichtige Aspekte von Carry Brachvogels Leben und Identität wieder.
Im Weissblauen Land steht für ihre große Heimatliebe, für ihre unbedingte Identifizierung mit München und Bayern. Der historische Roman Weißes Gold hingegen singt ein Loblied auf die Arbeit. Er erzählt die „seltsame und dennoch wahre Geschichte“ des Apothekerlehrlings Fritz Böttger [Johann Friedrich Böttger], der eigentlich den Stein der Weisen finden will, stattdessen aber – unter den merkwürdigsten Umständen – das Porzellan in Europa erfindet. Damit erschließt er seinem Vaterland eine neue Quelle des Reichtums und der Arbeit. Der wahre Stein der Weisen, so das Fazit der Geschichte, ist nicht Reichtum, sondern Arbeit: „Mit diesem Stein der Weisen kannst Du alles zu Gold tingieren.“ (S. 182)
Bereits 1900 hatte Carry Brachvogel phantastische Legenden unter dem Titel Die Wiedererstandenen veröffentlicht. Diesem „phantastischen Element“ begegnet man in ihren Werken immer wieder, auch das ist typisch für sie. In einer Reportage über sechs in München wohnende Dichterinnen wird 1925 berichtet, dass Carry Brachvogels Phantastische Erzählungen eines ihrer begehrtesten Werke sind: „Die Fülle der Phantasie, vereint mit scharf denkender Philosophie haben hier etwas Einzigartiges geschaffen.“ (Dziadek 1924) Vielseitig und produktiv geht es noch die ganzen 1920er-Jahre weiter. Sie veröffentlicht weiter Romane, darunter Robespierre, Die Bannerträgerin Marie Antoinette, Der Pionier der Königin, Das grosse Feuer sowie die beiden Theaterromane Der Mohr der Dubarry und Die Schauspielerin.
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Zugeschnitten auf die Gegebenheiten der Weimarer Republik, wird in den 1920er-Jahren in den Medien die „Neue Frau“ als Leitbild präsentiert. Diese übt einen Beruf aus, den sie als Mittel der Selbstverwirklichung ansieht, ist ledig oder in einer Kameradschaftsehe verheiratet, jung, sportlich, fesch gekleidet, finanziell anscheinend unabhängig, hat einen Bubikopf, raucht und ist sexuell selbstbestimmt. Die Umsetzung gelingt meist nur Frauen aus der Oberschicht, die neue Schicht der weiblichen Angestellten eifert nur oberflächlich dem medialen Wunschbild nach. Carry Brachvogel steht diesem Typus positiv gegenüber, zumal sie selbst und ihre Mitstreiterinnen im Verein für Fraueninteressen die nun propagierte „Neue Frau“ ja selbst schon seit dem Fin de siècle gelebt haben, wenngleich auch ohne Bubikopf und die anderen nun geforderten äußerlichen Attribute. Auch geraucht hat Carry Brachvogel immer schon. Und so äußert sie sich denn in Feuilletons und kulturhistorischen Essays nun sowohl humorvoll als auch satirisch über das jetzige Leitbild „Neue Frau“, über die „zu Wahlrecht und Bubikopf berechtigte Mama und ihre Tochter“ und „Die Dame mit der Zigarette“.
In den 1920er-Jahren erlebt Carry Brachvogel den letzten Höhepunkt ihres Schaffens. 1923, ein Jahr vor ihrem 60. Geburtstag, kommen gleich drei Werke heraus: Im Weissblauen Land, Phantastische Legenden und Weißes Gold. Alle drei erhalten höchstes Lob und spiegeln wichtige Aspekte von Carry Brachvogels Leben und Identität wieder.
Im Weissblauen Land steht für ihre große Heimatliebe, für ihre unbedingte Identifizierung mit München und Bayern. Der historische Roman Weißes Gold hingegen singt ein Loblied auf die Arbeit. Er erzählt die „seltsame und dennoch wahre Geschichte“ des Apothekerlehrlings Fritz Böttger [Johann Friedrich Böttger], der eigentlich den Stein der Weisen finden will, stattdessen aber – unter den merkwürdigsten Umständen – das Porzellan in Europa erfindet. Damit erschließt er seinem Vaterland eine neue Quelle des Reichtums und der Arbeit. Der wahre Stein der Weisen, so das Fazit der Geschichte, ist nicht Reichtum, sondern Arbeit: „Mit diesem Stein der Weisen kannst Du alles zu Gold tingieren.“ (S. 182)
Bereits 1900 hatte Carry Brachvogel phantastische Legenden unter dem Titel Die Wiedererstandenen veröffentlicht. Diesem „phantastischen Element“ begegnet man in ihren Werken immer wieder, auch das ist typisch für sie. In einer Reportage über sechs in München wohnende Dichterinnen wird 1925 berichtet, dass Carry Brachvogels Phantastische Erzählungen eines ihrer begehrtesten Werke sind: „Die Fülle der Phantasie, vereint mit scharf denkender Philosophie haben hier etwas Einzigartiges geschaffen.“ (Dziadek 1924) Vielseitig und produktiv geht es noch die ganzen 1920er-Jahre weiter. Sie veröffentlicht weiter Romane, darunter Robespierre, Die Bannerträgerin Marie Antoinette, Der Pionier der Königin, Das grosse Feuer sowie die beiden Theaterromane Der Mohr der Dubarry und Die Schauspielerin.