Emma Haushofer-Merks Einstellung zum Krieg Ende 1917
Ganz anders als zu Kriegsbeginn urteilt Emma Haushofer-Merk Ende 1917 über die Sinnhaftigkeit des Krieges für das Vaterland. Am 18. Oktober 1917, nach über drei Jahren Krieg, äußert sie sich in einem Brief an ihre Freundin Christine Mayer-Doss über den Kriegsverlauf. Jetzt wertet sie ihn als Ausdruck und Ergebnis einer „Männerkultur“, eines „Männerstaates“ – und beide hätten versagt:
Aber weil es so allmählich kam, weil man sich von einem Jahr zum anderen so mit der Erwartung auf Schluss weiterschleppte, ist die Zeit doch vorübergegangen und man lebt noch! Zuweilen denkt man freilich: Ob dieser Völkerwahnsinn denn nicht endlich geheilt wird! Zuweilen des Nachts, denke ich mir eine Ansprache an die Frauen der ganzen Welt aus: Sie sollten sich doch empören gegen diese Gewalt, die ihnen ihre Söhne nimmt, sie sollten einmal erklären: wir wollen nicht mehr! Wir geben die Kinder, die wir mit Schmerzen geboren, mit tausend Mühen aufgezogen haben nicht mehr her, dass man sie uns in ein Massengrab wirft oder zum Krüppel schiesst. Eigentlich hat die Männerkultur sich ja blamiert, der Männerstaat hat ein Fiasko gemacht, weil der grässliche Krieg möglich war. Natürlich bei Tag sagt man sich, dass auch der Schrei aus Millionen Frauenherzen nichts helfen würde, dass man ja nicht herankäme an die draussen im Feindesland, dass die Censur die Empörung der Frauen unterdrücken würde, selbst wenn in jedem Lande ein Echo sich fände. Aber man braucht nur durch die Sonnenstrasse zu gehen und die vielen halb Verstümmelten zu sehen, die aus den Kliniken kommen und man schüttelt den Kopf und fragt sich: muss und kann das denn so weiter gehen? [...]. Sollten nicht eigentlich die Zeitgenossen, die das Stückchen Leben miteinander teilen und dann wieder verschwinden, sich freundlich bei der Hand nehmen, alle sich als Wandergenossen fühlen, da sie doch alle nicht wissen woher, wohin. Stattdessen sind sie feindselig gegeneinander und hassen sich und machen sich diese knappe Zeit auch noch sauer.
Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges war insgesamt sehr einschneidend für die bürgerliche Frauenbewegung. Das wirft die Frage auf, ob diese sich nach dem Krieg jemals wieder davon erholt hat. Dadurch, dass auch sie vom Kriegsrausch erfasst und das „Vaterland“ als einziges Ziel propagiert wurden, sind die ursprünglichen Ziele und Fraueninteressen wieder zurückgestellt worden.
Obwohl Carry Brachvogel bis 1918 die Nähstube des Vereins geleitet hat, ist sie doch bereits 1917 aus dem Vorstand des Vereins für Fraueninteressen ausgeschieden. 1919 scheidet auch Emma Haushofer-Merk aus dem Vorstand aus. Beide bleiben aber Mitglieder des Vereins. Fortan konzentrieren sie sich auf ihre Arbeit als Vorsitzende des Münchner Schriftstellerinnen-Vereins und sind nach dem Krieg auch aus finanziellen Gründen sehr beschäftigt mit dem Publizieren ihrer Bücher. In den 1920er-Jahren stehen beide im Zenit ihres Schaffens.
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Ganz anders als zu Kriegsbeginn urteilt Emma Haushofer-Merk Ende 1917 über die Sinnhaftigkeit des Krieges für das Vaterland. Am 18. Oktober 1917, nach über drei Jahren Krieg, äußert sie sich in einem Brief an ihre Freundin Christine Mayer-Doss über den Kriegsverlauf. Jetzt wertet sie ihn als Ausdruck und Ergebnis einer „Männerkultur“, eines „Männerstaates“ – und beide hätten versagt:
Aber weil es so allmählich kam, weil man sich von einem Jahr zum anderen so mit der Erwartung auf Schluss weiterschleppte, ist die Zeit doch vorübergegangen und man lebt noch! Zuweilen denkt man freilich: Ob dieser Völkerwahnsinn denn nicht endlich geheilt wird! Zuweilen des Nachts, denke ich mir eine Ansprache an die Frauen der ganzen Welt aus: Sie sollten sich doch empören gegen diese Gewalt, die ihnen ihre Söhne nimmt, sie sollten einmal erklären: wir wollen nicht mehr! Wir geben die Kinder, die wir mit Schmerzen geboren, mit tausend Mühen aufgezogen haben nicht mehr her, dass man sie uns in ein Massengrab wirft oder zum Krüppel schiesst. Eigentlich hat die Männerkultur sich ja blamiert, der Männerstaat hat ein Fiasko gemacht, weil der grässliche Krieg möglich war. Natürlich bei Tag sagt man sich, dass auch der Schrei aus Millionen Frauenherzen nichts helfen würde, dass man ja nicht herankäme an die draussen im Feindesland, dass die Censur die Empörung der Frauen unterdrücken würde, selbst wenn in jedem Lande ein Echo sich fände. Aber man braucht nur durch die Sonnenstrasse zu gehen und die vielen halb Verstümmelten zu sehen, die aus den Kliniken kommen und man schüttelt den Kopf und fragt sich: muss und kann das denn so weiter gehen? [...]. Sollten nicht eigentlich die Zeitgenossen, die das Stückchen Leben miteinander teilen und dann wieder verschwinden, sich freundlich bei der Hand nehmen, alle sich als Wandergenossen fühlen, da sie doch alle nicht wissen woher, wohin. Stattdessen sind sie feindselig gegeneinander und hassen sich und machen sich diese knappe Zeit auch noch sauer.
Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges war insgesamt sehr einschneidend für die bürgerliche Frauenbewegung. Das wirft die Frage auf, ob diese sich nach dem Krieg jemals wieder davon erholt hat. Dadurch, dass auch sie vom Kriegsrausch erfasst und das „Vaterland“ als einziges Ziel propagiert wurden, sind die ursprünglichen Ziele und Fraueninteressen wieder zurückgestellt worden.
Obwohl Carry Brachvogel bis 1918 die Nähstube des Vereins geleitet hat, ist sie doch bereits 1917 aus dem Vorstand des Vereins für Fraueninteressen ausgeschieden. 1919 scheidet auch Emma Haushofer-Merk aus dem Vorstand aus. Beide bleiben aber Mitglieder des Vereins. Fortan konzentrieren sie sich auf ihre Arbeit als Vorsitzende des Münchner Schriftstellerinnen-Vereins und sind nach dem Krieg auch aus finanziellen Gründen sehr beschäftigt mit dem Publizieren ihrer Bücher. In den 1920er-Jahren stehen beide im Zenit ihres Schaffens.