Der Erste Bayerische Frauentag (1899)

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Einladung zum ersten Allgemeinen Bayerischen Frauentag, die im August 1899 ausgegeben wurde. © Verein für Fraueninteressen e.V.

Um 1900 erreicht die bürgerliche Frauenbewegung bereits Höhepunkte. 1898 lassen Anita Augspurg und Sophia Goudstikker in der Von-der-Tann-Straße ein neues Atelierhaus errichten. Die Ausgestaltung übernimmt August Endell. Mit seiner meergrünen Fassade und seinem markanten Drachenornament gilt das Atelier bald als Sensation. Das Drachensymbol wird zum Markenzeichen des Münchner Vereins für Fraueninteressen e.V.

1899 findet in München dann der Erste Bayerische Frauentag statt. Organisiert hatte ihn der Verein für Fraueninteressen. Aus ganz Bayern treffen hier erstmals Frauen zu einem Kongress zusammen, um ihre gesellschaftliche Rolle in Vergangenheit und Gegenwart zu erörtern. An dem damals Aufsehen erregenden Kongress nehmen mehr als 50 Frauen aus 14 bayerischen Städten teil. Möglich gemacht hat den Ersten Bayerischen Frauentag eine Novelle des bayerischen Vereinsgesetzes. 1898 hatte der Gesetzgeber den frauenfeindlichen Artikel 15 geändert, der Frauen bis dahin die Mitgliedschaft in politischen Vereinen sowie die Teilnahme an politischen Veranstaltungen untersagte. Nun durften auch volljährige weibliche Personen Versammlungen besuchen, die den Berufs- und Standesinteressen bestimmter Personenkreise oder Zwecken der Erziehung, des Unterrichts und der Armen- und Krankenpflege dienten. Diese gesetzliche Liberalisierung nutzten die Veranstalterinnen des Frauentags sofort für ihre Interessen.

1899 wird im Café Luitpold in der Brienner Straße der Erste Bayerische Frauentag eröffnet. Zahlreiche Vorträge und Veranstaltungen finden im Saal des alten Rathauses statt, den das Magistrat zur Verfügung gestellt hat.

Das Spektrum der Vorträge und Diskussionsveranstaltungen umfasst Themen wie „Was die Frauenbewegung von den Hausfrauen erwartet“, „Die Frau im öffentlichen Leben“, „Die Organisation der Münchner Kellnerinnen“ und „Die Stellung der Frau im neuen Bürgerlichen Gesetzbuch“. Auf dem Ersten Bayerischen Frauentag wird beschlossen, dass die Frauen auf eine Änderung jener Paragraphen des neuen BGB hinarbeiten wollen, die das eheliche Güterrecht, die elterliche Gewalt der ehelichen und unehelichen Mutter und die Unterhaltspflicht des Vaters gegenüber seinem unehelichen Kind betreffen.

Als Mitglied des Vereins hält auch der Dichter und Professor für Volkswirtschaft Max Haushofer einen öffentlichen Vortrag über „Die Frau im Erwerbsleben“. Schon zuvor hatte er im Verein wiederholt Vorträge gehalten und 1897 dort einen Kurs „Grundzüge der Volkswirtschaft“ geleitet. 1899 veröffentlicht er seinen utopischen Roman Planetenfeuer, der München im Jahr 2000 schildert. Ein Kapitel widmete Haushofer auch dem Frauenkongress.

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Dr. Ingvild Richardsen