Zum Leben der bürgerlichen Frau: Spielzeugrolle
Abgeschirmt vom wirklichen Leben vergeht jeder Tag für Elisabeth mit den gleichen sinnlosen Tätigkeiten:
Ihrem Leben fehlte der Inhalt. Ein Tag wie der andere floß leer dahin: Toilette, Spazierengehen, ein bischen Lesen, ein bischen Porzellanmalen, Besuche, Theater, Bälle. Dabei war Elisabeth gescheidt, hatte sich von jeher gemüht, ihre etwas oberflächliche Institutsbildung aus eigenen Kräften zu erweitern und zu vertiefen, und gerade deshalb erschien ihr dies alles, das den Freundinnen den Lebenszweck bildete, doppelt nichtig und leer [...]. Zuweilen befiel sie ein Grauen, wenn sie überlegte, wie viele Tage jetzt schon so dahingeglitten waren, an denen sie nichts geleistet hatte, nichts für sich, nichts für andere. Das „Lilienaufdemfelddasein“ bedrückte sie schwer – sie wäre gerne ein Mann gewesen, der nutzbringend leben und arbeiten, all seine Kräfte freudig und befriedigend bethätigen konnte.
(Brachvogel 1895, XXX, 5)
Diese Jugend führt dazu, dass Elisabeth auch als verheiratete Frau das bleibt, was sie bereits als Mädchen war: eine fantastische Träumerin, denn „an das unreife, junge Weib konnte das Leben mit seiner erziehenden Gewalt nicht herankommen, sie lernte ja nur die Gesellschaft kennen, nicht aber die Welt.“ Daran ändert auch die Heirat nichts, das große Ereignis, das ihrem Dasein Form und Inhalt leihen soll. Das eintönige Leben setzt sich fort:
Der Vormittag verging mit häuslichen Beschäftigungen, ein wenig Lektüre oder Klavierspiel, dann holte sie ihren Mann vom Gericht ab [...], ein Spaziergang in der Maximilianstraße, wo man immer die gleichen Menschen traf, [...], eine kurze Siesta, dann blieb sie wieder allein, bis endlich [...] Friedrichs Arbeitstag zur Rüste ging und er Zeit fand, mit seiner Frau ein Theater oder ein Konzert zu besuchen, wenn anders sie nicht zu Hause blieben und vor dem Essen noch ein Stündchen mit einander lasen oder musizierten, recht häufig aber kam er so müde heim, daß nichts ihm so gut behagen wollte, wie sein Lehnsessel und seine Cigarre [...] ein Frösteln befiel zuweilen die junge Frau, wenn sie bedachte, daß es nun immer so weitergehn würde.
(Brachvogel 1895, XXX, 12)
Das Dasein der bürgerlichen Ehefrau wird im Roman so auf den Punkt gebracht: „Die Spielzeugrolle, die man der modernen Frau in der Ehe immer noch gerne anweist, lag der regen, klugen Elisabeth sehr schlecht und um ihrem Manne eine wirkliche Gefährtin zu sein, dazu mangelte ihr (so fand sie wenigstens) der zur Bethätigung einer Kraft unerläßlich nötige Wirkungskreis.“ (Brachvogel 1895, XXX, 16f.)
Weitere Kapitel:
Abgeschirmt vom wirklichen Leben vergeht jeder Tag für Elisabeth mit den gleichen sinnlosen Tätigkeiten:
Ihrem Leben fehlte der Inhalt. Ein Tag wie der andere floß leer dahin: Toilette, Spazierengehen, ein bischen Lesen, ein bischen Porzellanmalen, Besuche, Theater, Bälle. Dabei war Elisabeth gescheidt, hatte sich von jeher gemüht, ihre etwas oberflächliche Institutsbildung aus eigenen Kräften zu erweitern und zu vertiefen, und gerade deshalb erschien ihr dies alles, das den Freundinnen den Lebenszweck bildete, doppelt nichtig und leer [...]. Zuweilen befiel sie ein Grauen, wenn sie überlegte, wie viele Tage jetzt schon so dahingeglitten waren, an denen sie nichts geleistet hatte, nichts für sich, nichts für andere. Das „Lilienaufdemfelddasein“ bedrückte sie schwer – sie wäre gerne ein Mann gewesen, der nutzbringend leben und arbeiten, all seine Kräfte freudig und befriedigend bethätigen konnte.
(Brachvogel 1895, XXX, 5)
Diese Jugend führt dazu, dass Elisabeth auch als verheiratete Frau das bleibt, was sie bereits als Mädchen war: eine fantastische Träumerin, denn „an das unreife, junge Weib konnte das Leben mit seiner erziehenden Gewalt nicht herankommen, sie lernte ja nur die Gesellschaft kennen, nicht aber die Welt.“ Daran ändert auch die Heirat nichts, das große Ereignis, das ihrem Dasein Form und Inhalt leihen soll. Das eintönige Leben setzt sich fort:
Der Vormittag verging mit häuslichen Beschäftigungen, ein wenig Lektüre oder Klavierspiel, dann holte sie ihren Mann vom Gericht ab [...], ein Spaziergang in der Maximilianstraße, wo man immer die gleichen Menschen traf, [...], eine kurze Siesta, dann blieb sie wieder allein, bis endlich [...] Friedrichs Arbeitstag zur Rüste ging und er Zeit fand, mit seiner Frau ein Theater oder ein Konzert zu besuchen, wenn anders sie nicht zu Hause blieben und vor dem Essen noch ein Stündchen mit einander lasen oder musizierten, recht häufig aber kam er so müde heim, daß nichts ihm so gut behagen wollte, wie sein Lehnsessel und seine Cigarre [...] ein Frösteln befiel zuweilen die junge Frau, wenn sie bedachte, daß es nun immer so weitergehn würde.
(Brachvogel 1895, XXX, 12)
Das Dasein der bürgerlichen Ehefrau wird im Roman so auf den Punkt gebracht: „Die Spielzeugrolle, die man der modernen Frau in der Ehe immer noch gerne anweist, lag der regen, klugen Elisabeth sehr schlecht und um ihrem Manne eine wirkliche Gefährtin zu sein, dazu mangelte ihr (so fand sie wenigstens) der zur Bethätigung einer Kraft unerläßlich nötige Wirkungskreis.“ (Brachvogel 1895, XXX, 16f.)