Deutsche Hörer!
Unter dem Titel „Deutsche Hörer!“ strahlt die britische BBC zwischen Oktober 1940 und Mai 1945 einmal im Monat eine Ansprache Thomas Manns an seine Landsleute aus. In kurzen, insgesamt 58 Reden wendet sich Thomas Mann an die Deutschen, klärt über den Nationalsozialismus, die Judenvernichtung und den tatsächlichen Kriegsverlauf auf. Zudem stellt er Fragen nach Moral und Gewissen und weist auf die Unvereinbarkeit des Nationalsozialismus mit der deutschen Kultur hin, die die nationalsozialistische Diktatur überwinden werde. 1940 hat die BBC Thomas Mann, der seit 1938 in den USA lebt, gebeten, sich über ihren Sender doch direkt an die Deutschen zu wenden.
Mit der Einführung der Langwellen ist es möglich, mit einem deutschen Volksempfänger die BBC zu empfangen. Zunächst sendet Thomas Mann seine Texte nach London, wo sie von einem Sprecher der BBC verlesen werden. Ab März 1941 spricht Thomas Mann seine Reden in Los Angeles auf Schallplatte. Diese wird nach New York übersendet und telefonisch nach London übertragen. In wieweit seine Ansprachen den deutschen Widerstand bestärken ist ungewiss, allerdings sollte man die Bedeutung die Thomas Mann als Stimme des anderen Deutschlands hat nicht unterschätzen.
Deutsche Hörer!
Natürlich bin ich mir bewusst, das mit euch heute schlecht reden ist. Siegesnachrichten prasseln auf euch nieder [...] und setzen eure Gemüter – zum mindesten diejenigen der Schwachen, Dummen und Rohen – in flammende, jeder Mahnung unzugänglichen Begeisterung. [...] Ich sage euch im Augenblick euers größten [...] Übermuts, dass es nicht angenommen, nicht hingenommen werden wird. Glaubt nicht, es gelte nur, eiserne Tatsachen zu schaffern, vor denen die Menschheit sich schon beugen werde. Sie wird sich nicht davor beugen, weil sie es nicht kann. [...] Den endgültigen Triumpf des Bösen, der Lüge und Gewalt kann sie nicht hinnehmen – sie kann damit einfach nicht leben. [...] Die Revolte des Menschentums gegen eine Hitler-Welt [...] ist die gewisseste der Gewissheiten; sie wird eine elementare Revolte sein, vor der `eiserne Tatsachen´ bröckeln wie Zunder. [...] Deutsches Volk, wieviel mehr hast du den Sieg deiner Führer zu fürchten, als ihre Niederlage!
(Thomas Mann: Rundfunkansprache April 1941. In: Deutsche Hörer. Radiosendungen nach Deutschland aus den Jahren 1940-1945. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt a.M. 2013, S. 25-27)
Der erste Teil seiner Reden wird 1942 in Buchform publiziert. Silvester 1946 überträgt die BBC Thomas Manns letzte Ansprache.
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Unter dem Titel „Deutsche Hörer!“ strahlt die britische BBC zwischen Oktober 1940 und Mai 1945 einmal im Monat eine Ansprache Thomas Manns an seine Landsleute aus. In kurzen, insgesamt 58 Reden wendet sich Thomas Mann an die Deutschen, klärt über den Nationalsozialismus, die Judenvernichtung und den tatsächlichen Kriegsverlauf auf. Zudem stellt er Fragen nach Moral und Gewissen und weist auf die Unvereinbarkeit des Nationalsozialismus mit der deutschen Kultur hin, die die nationalsozialistische Diktatur überwinden werde. 1940 hat die BBC Thomas Mann, der seit 1938 in den USA lebt, gebeten, sich über ihren Sender doch direkt an die Deutschen zu wenden.
Mit der Einführung der Langwellen ist es möglich, mit einem deutschen Volksempfänger die BBC zu empfangen. Zunächst sendet Thomas Mann seine Texte nach London, wo sie von einem Sprecher der BBC verlesen werden. Ab März 1941 spricht Thomas Mann seine Reden in Los Angeles auf Schallplatte. Diese wird nach New York übersendet und telefonisch nach London übertragen. In wieweit seine Ansprachen den deutschen Widerstand bestärken ist ungewiss, allerdings sollte man die Bedeutung die Thomas Mann als Stimme des anderen Deutschlands hat nicht unterschätzen.
Deutsche Hörer!
Natürlich bin ich mir bewusst, das mit euch heute schlecht reden ist. Siegesnachrichten prasseln auf euch nieder [...] und setzen eure Gemüter – zum mindesten diejenigen der Schwachen, Dummen und Rohen – in flammende, jeder Mahnung unzugänglichen Begeisterung. [...] Ich sage euch im Augenblick euers größten [...] Übermuts, dass es nicht angenommen, nicht hingenommen werden wird. Glaubt nicht, es gelte nur, eiserne Tatsachen zu schaffern, vor denen die Menschheit sich schon beugen werde. Sie wird sich nicht davor beugen, weil sie es nicht kann. [...] Den endgültigen Triumpf des Bösen, der Lüge und Gewalt kann sie nicht hinnehmen – sie kann damit einfach nicht leben. [...] Die Revolte des Menschentums gegen eine Hitler-Welt [...] ist die gewisseste der Gewissheiten; sie wird eine elementare Revolte sein, vor der `eiserne Tatsachen´ bröckeln wie Zunder. [...] Deutsches Volk, wieviel mehr hast du den Sieg deiner Führer zu fürchten, als ihre Niederlage!
(Thomas Mann: Rundfunkansprache April 1941. In: Deutsche Hörer. Radiosendungen nach Deutschland aus den Jahren 1940-1945. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt a.M. 2013, S. 25-27)
Der erste Teil seiner Reden wird 1942 in Buchform publiziert. Silvester 1946 überträgt die BBC Thomas Manns letzte Ansprache.