Zwischen Appeasement und Zufluchtsort

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"Für Das Kind" (Kindertransport-Denkmal in Liverpool, Bahnhofshalle).

Großbritannien macht den Nationalsozialisten im Rahmen seiner Appeasement-Politik viele Zugeständnisse. Höhepunkt dieser politischen Linie ist das Münchner Abkommen im September 1938, als Briten und Franzosen zur vermeintlichen Friedenssicherung zusammen mit Hitler und Mussolini die Tschechoslowakei zwingen, das Sudentenland an Deutschland abzutreten. Welch verheerender Fehler diese Politik der Nachgiebigkeit gegenüber einem Diktator bedeutet, sehen die Briten kurze Zeit später, als die Wehrmacht in der Tschechoslowakei einmarschiert.

Trotz dieser Politik der Zugeständnisse nimmt Großbritannien bereits ab März 1938 viele Flüchtlinge aus Deutschland und Österreich auf. Insgesamt kommen zwischen 1933 und 1941 circa 50.000 bis 80.000 Menschen ins Land, zwei Drittel davon zwischen November 1938 und September 1939. Bruno Frank hält sich zusammen mit seiner Frau Liesl während seines europäischen Exils ebenfalls verstärkt in England auf, wo er als populärer Autor gilt. Sein beliebtestes Stück „Sturm im Wasserglas“ erlebt in London über 400 Vorstellungen und wird, wie sich Erika Mann erinnert, am 17. Mai 1936 sogar als Privatvorstellung vor König Edward VIII gegeben.

... im übrigen aber ist gestern und im Haus jener Lady Cunard, mit der auch ich heute speiste, ganz einfach der dritte Akt von Sturm im Wasserglas dem König vorgespielt worden (der, wegen seiner Trauer, nicht ins Theater darf), – es muss ganz groß gewesen sein, auch Churchill war da, Liesl durfte einen Hofknix machen und (nur zu vierzehnt war man alles in allem) mit dem König speisen, – es muss doch immerhin ein rechter Spaß gewesen sein und wird gewiss den Goebbels ärgern und den Hitler auch.

(Prestel, Anna Zanco [Hg.] [1984]: Erika Mann. Briefe und Antworten. Bd. 1: 1922-1950. Ellermann, München, S. 93)

Berühmtheit erlangen vor allem die sogenannten Kindertransporte nach Großbritannien. Circa 10.000 jüdische Kinder werden ohne ihre Eltern hierher geschickt. Kindern, wie der in Nürnberg geborene englische Aktionskünstler Gustav Metzger, der aus München stammende spätere Nobelpreisträger Arno Penzias oder die Schwester von Ilse Aichinger, gelingt es auf diese Weise den Holocaust zu überleben. Viele werden ihre Familien niemals wiedersehen.

(Benz, Wolfgang [Hg.] [2003]: Die Kindertransporte 1938/39: Rettung und Integration. Mit Beiträgen von Ilse Aichinger. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt a.M.)

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Dr. Michaela Karl