Reichskommissariat Niederlande
Als die deutsche Wehrmacht im Mai 1940 in den Niederlanden einmarschiert, befinden sich etwa 20.000 deutschsprachige Emigranten im Land. Am 14. Mai 1940 sind die Niederlande besiegt und stehen unter deutscher Besatzung. Die meisten Schriftsteller sind da bereits geflüchtet: weiter nach England, Frankreich, Palästina, die USA oder Südamerika. Grete Weil und ihr Mann Edgar haben es nicht geschafft. Erst im Frühsommer gelingt es ihnen ein Visum für Kuba zu erhalten. Da wird Edgar Weil im Rahmen einer Razzia verschleppt und nach Buchenwald deportiert. Nach einem letzten Lebenszeichen aus dem österreichischen KZ Mauthausen verliert sich seine Spur im Juli 1940. Grete Weil wird nun vom Jüdischen Rat als Sekretärin angestellt, um sie vor der Deportation zu bewahren. In ihrem Büro im Theater Schouwburg tippt sie Briefe für Juden, die für die sogenannte „Auswanderung in den Osten“ registriert werden:
Bitten um Dinge, die man in der Eile nicht mitgenommen oder vergessen hat, wichtige – oder vermeintlich wichtige, da in Wahrheit überhaupt nichts wichtig ist, weil es sich ja um eine Reise in den Tod handelt, was manche ahnen, doch keiner weiß – oder ganz unwichtige wie Sofakissen, Tischdecken oder Kartenspiele. Nie bestellt sich einer ein Buch. Ich warte vergebens darauf. Es erstaunt mich zutiefst, dass alle das Gleiche schreiben, holländische, deutsche, polnische Juden, Universitätsprofessoren und Gemüsehändler, immer ist da außer der Bitte um vergessenen Dinge noch der Auftrag, wen man verständigen soll, von wem man sich Hilfe erwartet. Keiner schreibt ein Wort der Liebe oder Freundschaft, keiner einer ein Wort der Trauer. Ebenso irritiert es mich, dass niemand weint. Warum? Ist es kein Grund zum Weinen, wenn man aus seiner Wohnung geholt und ins gräulich Ungewisse geschickt wird? Sind alle so tapfer oder alle so stumpf? Ich weiß es nicht.
(Grete Weil: Leb ich denn, wenn andere leben. Nagel & Kimche, Zürich/Frauenfeld 1998, S. 168)
Am Ende werden auch die Mitarbeiter des Rates, die eine Ausnahmegenehmigung besitzen, abgeholt. Holland wird als „judenfrei“ eingestuft. Grete Weil kann in der Wohnung eines Freundes hinter der Bücherwand untertauchen und überlebt so den Krieg. 1947 kehrt sie nach München zurück.
Weitere Kapitel:
Als die deutsche Wehrmacht im Mai 1940 in den Niederlanden einmarschiert, befinden sich etwa 20.000 deutschsprachige Emigranten im Land. Am 14. Mai 1940 sind die Niederlande besiegt und stehen unter deutscher Besatzung. Die meisten Schriftsteller sind da bereits geflüchtet: weiter nach England, Frankreich, Palästina, die USA oder Südamerika. Grete Weil und ihr Mann Edgar haben es nicht geschafft. Erst im Frühsommer gelingt es ihnen ein Visum für Kuba zu erhalten. Da wird Edgar Weil im Rahmen einer Razzia verschleppt und nach Buchenwald deportiert. Nach einem letzten Lebenszeichen aus dem österreichischen KZ Mauthausen verliert sich seine Spur im Juli 1940. Grete Weil wird nun vom Jüdischen Rat als Sekretärin angestellt, um sie vor der Deportation zu bewahren. In ihrem Büro im Theater Schouwburg tippt sie Briefe für Juden, die für die sogenannte „Auswanderung in den Osten“ registriert werden:
Bitten um Dinge, die man in der Eile nicht mitgenommen oder vergessen hat, wichtige – oder vermeintlich wichtige, da in Wahrheit überhaupt nichts wichtig ist, weil es sich ja um eine Reise in den Tod handelt, was manche ahnen, doch keiner weiß – oder ganz unwichtige wie Sofakissen, Tischdecken oder Kartenspiele. Nie bestellt sich einer ein Buch. Ich warte vergebens darauf. Es erstaunt mich zutiefst, dass alle das Gleiche schreiben, holländische, deutsche, polnische Juden, Universitätsprofessoren und Gemüsehändler, immer ist da außer der Bitte um vergessenen Dinge noch der Auftrag, wen man verständigen soll, von wem man sich Hilfe erwartet. Keiner schreibt ein Wort der Liebe oder Freundschaft, keiner einer ein Wort der Trauer. Ebenso irritiert es mich, dass niemand weint. Warum? Ist es kein Grund zum Weinen, wenn man aus seiner Wohnung geholt und ins gräulich Ungewisse geschickt wird? Sind alle so tapfer oder alle so stumpf? Ich weiß es nicht.
(Grete Weil: Leb ich denn, wenn andere leben. Nagel & Kimche, Zürich/Frauenfeld 1998, S. 168)
Am Ende werden auch die Mitarbeiter des Rates, die eine Ausnahmegenehmigung besitzen, abgeholt. Holland wird als „judenfrei“ eingestuft. Grete Weil kann in der Wohnung eines Freundes hinter der Bücherwand untertauchen und überlebt so den Krieg. 1947 kehrt sie nach München zurück.