Schreiben, Malen, Nachdenken auf dem Land
Mit den Wittelsbachern kamen Maler wie Johann Georg von Dillis, Josef Stieler und Wilhelm von Kobell an den Tegernsee. Auf ihren Bildern hielten sie die Schönheit der Tegernseer Landschaft fest und prägten das hundertfach kopierte Bild vom „Bilderbuch-Bayern“: ein See inmitten einer reizenden Gebirgslandschaft, gesäumt von blitzsauberen Dörfern. Auch Schriftsteller wie Franz von Kobell und Karl Stieler machten mit ihrer Literatur immer mehr Menschen mit der ländlichen Idylle in Oberbayern bekannt. „Luftschnapper“ nannten die Maler und Schriftsteller jene gewöhnlichen Sommerfrischler, die nur zum Luftkuren und nicht zum Malen und Schreiben aufs Land drängten. Um die Jahrhundertmitte war im Tegernseer Tal bereits eine komplette touristische Infrastruktur vorhanden mit Wanderwegen und Gasthäusern. International renommierte Kulturgrößen trafen dort mit den in der altbayerischen Kultur fest verankerten Einheimischen zusammen. Allen voran die Mitarbeiter der Satirezeitschrift mit den Exponenten Olaf Gulbransson und Ludwig Thoma, aber auch der Maler August Macke und der Schriftsteller Thomas Mann. Und noch einer baute schon nach wenigen Sommerfrischen im Urlaubsort ein eigenes Haus: der Maler Lovis Corinth. Er ließ sich 1920 in Urfeld am Walchensee nieder. Mit seinen Bildern vom Walchensee verbreitete er in Berlin das gängige Bild vom Alpenvorland. „Jeder Berliner wollte ein Bild aus jener bayrischen Gebirgsecke besitzen, und so kam es, daß ich nebst dem Stilleben ein Spezialist für diesen schönen Winkel vom Walchensee wurde. Auch die Galerien wollten durchaus diese Bilder haben.“
Links: Olaf Gulbransson, o.D. (Archiv Monacensia). Mitte: „Im Gamsgebirg“, Zeichnung von Th.Th. Heine. Simplicissimus, Jg. 9, Heft 24, 1904. Rechts: Lovis Corinth in seinem Atelier, o.D. (vermutlich um 1904), Fotoalbum von Josef Ruederer (Archiv Monacensia).
Besonders russische Maler wie Wassily Kandinsky, Marianne von Werefkin und Alexej Jawlensky liebten die oberbayerische Vorgebirgslandschaft. Mit ihren farbenfrohen, lichtdurchfluteten Bildern machten sie diese Landschaft um Murnau weltberühmt. 1908 entdeckte das Künstlerpaar Wassily Kandinsky und Gabriele Münter den Marktflecken am Staffelsee und kaufte ein Jahr später dort ein Sommerhaus. Gemeinsam mit ihren Freunden Franz Marc, der mit seiner Frau Maria in Sindelsdorf wohnte, und August Macke, der sich 1910 für ein Jahr in Tegernsee niedergelassen hatte, revolutionierten sie die Kunst des 20. Jahrhunderts. Sie beschäftigten sich intensiv mit der oberbayerischen Volkskultur, der Hinterglasmalerei im Staffelsee-Raum, den bäuerlichen Schnitzereien und den Votivbildern aus dem 18. Jahrhundert, deren Ursprünglichkeit und authentische Bildsprache sie bei der Suche nach modernen Ausdrucksformen inspirierte. Briefe dokumentieren, wie unspektakulär dagegen der Alltag der Künstler aussah. Im Oktober 1910 schreibt Gabriele Münter an Wassily Kandinsky nach Moskau: „3.45 fuhren wir nach Murnau [...] Straße besichtigt, Mittag gegessen, geplaudert, Haus besichtigt. [...] Dann machten wir einen schönen Spaziergang zum See u. an den Zäunen entlang durch Wald [...] Nachmittag haben wir beide geschlafen, dann Thee und Vorbereitungen zum Malen u. als wir endlich losgingen erhob sich ein Sturm. Wir malten in der verlängerten Burggasse u. gerade kamen alle Murnauer Kühe vorbei u. ich rettete mich über den Graben. Habe 2 Studien gemacht – nicht schlecht – nicht gut.“
Sekundärliteratur:
Tworek, Elisabeth (2011): Literarische Sommerfrische. Künstler und Schriftsteller im Alpenvorland. Ein Lesebuch. Allitera Verlag, München, S. 12-14.
Weitere Kapitel:
Mit den Wittelsbachern kamen Maler wie Johann Georg von Dillis, Josef Stieler und Wilhelm von Kobell an den Tegernsee. Auf ihren Bildern hielten sie die Schönheit der Tegernseer Landschaft fest und prägten das hundertfach kopierte Bild vom „Bilderbuch-Bayern“: ein See inmitten einer reizenden Gebirgslandschaft, gesäumt von blitzsauberen Dörfern. Auch Schriftsteller wie Franz von Kobell und Karl Stieler machten mit ihrer Literatur immer mehr Menschen mit der ländlichen Idylle in Oberbayern bekannt. „Luftschnapper“ nannten die Maler und Schriftsteller jene gewöhnlichen Sommerfrischler, die nur zum Luftkuren und nicht zum Malen und Schreiben aufs Land drängten. Um die Jahrhundertmitte war im Tegernseer Tal bereits eine komplette touristische Infrastruktur vorhanden mit Wanderwegen und Gasthäusern. International renommierte Kulturgrößen trafen dort mit den in der altbayerischen Kultur fest verankerten Einheimischen zusammen. Allen voran die Mitarbeiter der Satirezeitschrift mit den Exponenten Olaf Gulbransson und Ludwig Thoma, aber auch der Maler August Macke und der Schriftsteller Thomas Mann. Und noch einer baute schon nach wenigen Sommerfrischen im Urlaubsort ein eigenes Haus: der Maler Lovis Corinth. Er ließ sich 1920 in Urfeld am Walchensee nieder. Mit seinen Bildern vom Walchensee verbreitete er in Berlin das gängige Bild vom Alpenvorland. „Jeder Berliner wollte ein Bild aus jener bayrischen Gebirgsecke besitzen, und so kam es, daß ich nebst dem Stilleben ein Spezialist für diesen schönen Winkel vom Walchensee wurde. Auch die Galerien wollten durchaus diese Bilder haben.“
Links: Olaf Gulbransson, o.D. (Archiv Monacensia). Mitte: „Im Gamsgebirg“, Zeichnung von Th.Th. Heine. Simplicissimus, Jg. 9, Heft 24, 1904. Rechts: Lovis Corinth in seinem Atelier, o.D. (vermutlich um 1904), Fotoalbum von Josef Ruederer (Archiv Monacensia).
Besonders russische Maler wie Wassily Kandinsky, Marianne von Werefkin und Alexej Jawlensky liebten die oberbayerische Vorgebirgslandschaft. Mit ihren farbenfrohen, lichtdurchfluteten Bildern machten sie diese Landschaft um Murnau weltberühmt. 1908 entdeckte das Künstlerpaar Wassily Kandinsky und Gabriele Münter den Marktflecken am Staffelsee und kaufte ein Jahr später dort ein Sommerhaus. Gemeinsam mit ihren Freunden Franz Marc, der mit seiner Frau Maria in Sindelsdorf wohnte, und August Macke, der sich 1910 für ein Jahr in Tegernsee niedergelassen hatte, revolutionierten sie die Kunst des 20. Jahrhunderts. Sie beschäftigten sich intensiv mit der oberbayerischen Volkskultur, der Hinterglasmalerei im Staffelsee-Raum, den bäuerlichen Schnitzereien und den Votivbildern aus dem 18. Jahrhundert, deren Ursprünglichkeit und authentische Bildsprache sie bei der Suche nach modernen Ausdrucksformen inspirierte. Briefe dokumentieren, wie unspektakulär dagegen der Alltag der Künstler aussah. Im Oktober 1910 schreibt Gabriele Münter an Wassily Kandinsky nach Moskau: „3.45 fuhren wir nach Murnau [...] Straße besichtigt, Mittag gegessen, geplaudert, Haus besichtigt. [...] Dann machten wir einen schönen Spaziergang zum See u. an den Zäunen entlang durch Wald [...] Nachmittag haben wir beide geschlafen, dann Thee und Vorbereitungen zum Malen u. als wir endlich losgingen erhob sich ein Sturm. Wir malten in der verlängerten Burggasse u. gerade kamen alle Murnauer Kühe vorbei u. ich rettete mich über den Graben. Habe 2 Studien gemacht – nicht schlecht – nicht gut.“
Tworek, Elisabeth (2011): Literarische Sommerfrische. Künstler und Schriftsteller im Alpenvorland. Ein Lesebuch. Allitera Verlag, München, S. 12-14.