Kirchenthemen im Miesbacher Anzeiger
Im Miesbacher Anzeiger, in dem der todkranke, verbitterte Thoma von 1920 bis zu seinem Tode im Jahr 1921 einhundertsiebzig meist anonyme Pamphlete veröffentlichte, rückt die Auseinandersetzung mit Glaubens- und Kirchenfragen in den Hintergrund. Zügellose Angriffe gegen Juden und Kommunisten, gegen die Berliner Regierung und gegen die Sozialdemokratie verdrängen die alten Kampfplätze. Zentrumspartei und Kirchen kommen vergleichsweise ungeschoren davon. Schon 1919 musste sich Thoma gegen den Vorwurf zur Wehr setzen, selbst zum Handlanger des – früher so befehdeten – Zentrums geworden zu sein. So schreibt Thoma im Januar 1919 in einem Leserbrief an die Frankfurter Zeitung: „Würde ich jemals Zentrumsziele billigen oder anstreben, so müsste ich mich von den alten Mitarbeitern und von einem langjährigem Schaffen, das uns seit vielen Jahren lieb geworden ist, trennen. Dem Simplicissimus trennt heute die gleiche Welt, wie je, vom Zentrum.“[1] Und auch gegenüber Maidi von Liebermann beteuert er: „Ich bin nicht Mitglied der Bayerischen Volkspartei. Ich habe es abgelehnt, den Wahlaufruf zu unterzeichnen. Ich bin nicht als Redner aufgetreten. Ich habe für Heim und für ihn ausschließlich ein paar Artikel geschrieben, in denen ich meine Ansichten und meine Sorgen zum Ausdruck brachte. Ich wackle nicht.“[2]
Waren früher Ultramontanismus und Klerikalismus ununterbrochen Ziele der beißenden Kritik Thomas, so beschwört er nun, am Ende seines Lebens, die Gefahr der Aufweichung, der Unterwanderung, der Zerstörung durch die Kräfte des Judentums und des Sozialismus. „Wir Arier haben es am Ende nicht nötig, ruhig zuzusehen, wie schmierige Lausbuben, Tango- und Spinatburschen zu Christenpogromen hetzen.“[3] schreibt er im Juli 1920, und gegen die zentrumsnahe, Thoma aber zu liberale Augsburger Postzeitung wettert er: „In Pfarrhöfen wird die Postzeitung gelesen! In strengkatholischen Kreisen! Der Bayerischen Volkspartei will sie dienen! Das stimmt! Daß sie aber verjudet, verpreußt und politisch verwahrlost ist, stimmt auch!“[4] Und schließlich idealisiert er gar die Vergangenheit der Zentrumspartei: „Alle sittlichen Kräfte müssen sich gegen Erzberger, Wirth und Konsorten richten, wenn die Partei den Weg zu ihren Idealen zurückfinden will. Religion und Vaterlandsliebe, nicht ausgeklügelte Kompromisse, müssen vor aller Augen sichtbar die Leitsterne der Zentrumspartei sein, oder ihr Untergang ist unabwendbar.“[5]
Trotz aller Gegenbeteuerungen: Gehörten Zentrum und Kirchen früher zu den erklärten Gegnern Thomas, so sieht er nach dem verlorenen Krieg und den Wirren der Weimarer Republik nur mehr in ihnen eine Heimat für eigene Wertvorstellungen. Trotzdem soll es, so das Gerücht, ernsthafte Widerstände seitens des katholischen Klerus gegeben haben, den Bayerndichter im Dorffriedhof von Egern begraben zu lassen. Am 29. August 1921 fand diese Bestattung, vielleicht nicht ohne obrigkeitlicher Einflussnahme, gleichwohl statt.
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[1] Ludwig Thoma: Ein Leben in Briefen, a.a.O., S. 357.
[2] Ludwig Thoma: Ein Leben in Briefen, a.a.O., S. 359.
[3] Miesbacher Anzeiger, 17. Juli 1920.
[4] Miesbacher Anzeiger, 30. September 1920.
[5] Miesbacher Anzeiger, 12. Juli 1921.
Sekundärliteratur:
Miesbacher Anzeiger im Historischen Lexikon Bayerns
Weitere Kapitel:
Im Miesbacher Anzeiger, in dem der todkranke, verbitterte Thoma von 1920 bis zu seinem Tode im Jahr 1921 einhundertsiebzig meist anonyme Pamphlete veröffentlichte, rückt die Auseinandersetzung mit Glaubens- und Kirchenfragen in den Hintergrund. Zügellose Angriffe gegen Juden und Kommunisten, gegen die Berliner Regierung und gegen die Sozialdemokratie verdrängen die alten Kampfplätze. Zentrumspartei und Kirchen kommen vergleichsweise ungeschoren davon. Schon 1919 musste sich Thoma gegen den Vorwurf zur Wehr setzen, selbst zum Handlanger des – früher so befehdeten – Zentrums geworden zu sein. So schreibt Thoma im Januar 1919 in einem Leserbrief an die Frankfurter Zeitung: „Würde ich jemals Zentrumsziele billigen oder anstreben, so müsste ich mich von den alten Mitarbeitern und von einem langjährigem Schaffen, das uns seit vielen Jahren lieb geworden ist, trennen. Dem Simplicissimus trennt heute die gleiche Welt, wie je, vom Zentrum.“[1] Und auch gegenüber Maidi von Liebermann beteuert er: „Ich bin nicht Mitglied der Bayerischen Volkspartei. Ich habe es abgelehnt, den Wahlaufruf zu unterzeichnen. Ich bin nicht als Redner aufgetreten. Ich habe für Heim und für ihn ausschließlich ein paar Artikel geschrieben, in denen ich meine Ansichten und meine Sorgen zum Ausdruck brachte. Ich wackle nicht.“[2]
Waren früher Ultramontanismus und Klerikalismus ununterbrochen Ziele der beißenden Kritik Thomas, so beschwört er nun, am Ende seines Lebens, die Gefahr der Aufweichung, der Unterwanderung, der Zerstörung durch die Kräfte des Judentums und des Sozialismus. „Wir Arier haben es am Ende nicht nötig, ruhig zuzusehen, wie schmierige Lausbuben, Tango- und Spinatburschen zu Christenpogromen hetzen.“[3] schreibt er im Juli 1920, und gegen die zentrumsnahe, Thoma aber zu liberale Augsburger Postzeitung wettert er: „In Pfarrhöfen wird die Postzeitung gelesen! In strengkatholischen Kreisen! Der Bayerischen Volkspartei will sie dienen! Das stimmt! Daß sie aber verjudet, verpreußt und politisch verwahrlost ist, stimmt auch!“[4] Und schließlich idealisiert er gar die Vergangenheit der Zentrumspartei: „Alle sittlichen Kräfte müssen sich gegen Erzberger, Wirth und Konsorten richten, wenn die Partei den Weg zu ihren Idealen zurückfinden will. Religion und Vaterlandsliebe, nicht ausgeklügelte Kompromisse, müssen vor aller Augen sichtbar die Leitsterne der Zentrumspartei sein, oder ihr Untergang ist unabwendbar.“[5]
Trotz aller Gegenbeteuerungen: Gehörten Zentrum und Kirchen früher zu den erklärten Gegnern Thomas, so sieht er nach dem verlorenen Krieg und den Wirren der Weimarer Republik nur mehr in ihnen eine Heimat für eigene Wertvorstellungen. Trotzdem soll es, so das Gerücht, ernsthafte Widerstände seitens des katholischen Klerus gegeben haben, den Bayerndichter im Dorffriedhof von Egern begraben zu lassen. Am 29. August 1921 fand diese Bestattung, vielleicht nicht ohne obrigkeitlicher Einflussnahme, gleichwohl statt.
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[1] Ludwig Thoma: Ein Leben in Briefen, a.a.O., S. 357.
[2] Ludwig Thoma: Ein Leben in Briefen, a.a.O., S. 359.
[3] Miesbacher Anzeiger, 17. Juli 1920.
[4] Miesbacher Anzeiger, 30. September 1920.
[5] Miesbacher Anzeiger, 12. Juli 1921.