Metropolis
Thea von Harbou wuchs auf einem Rittergut im oberfränkischen Tauperlitz bei Hof auf und genoss die Erziehung einer höheren Tochter. Bereits als junges Mädchen verfasste sie Gedichte und entwickelte eine Vorliebe für Märchen, Mythen und Sagen. Winnetou, der Häuptling der Apachen, war ihr Idol. Am linken Handgelenk hatte sie sich mit einer Nadel ein W eingeritzt.
Ernst Gortner äußert in seinem Aufsatz „Schattenmund. Die kinematographischen Visionen de Thea Gabriele von Harbou“ (in: Flessner: Visionäre aus Franken. Sechs phantastische Biographien) die ebenso erstaunliche wie schlüssige Beobachtung: „Thea von Harbou selbst holte das `W´ vom Sternenhimmel ihrer narzisstisch-imaginären Jugendliebe auf die Erde herunter und stellte diese Phantasmagorie ihres männlichen Ideal-Ich vom Kopf auf die Füße. Aus dem `W´ wie Winnetou wurde ein `M´ wie Mörder.“
In Thea von Harbous Büchern waren selbstlose Frauen, die sich aufopfern, beliebtes Thema. Nach dem großen Erfolg des Romans Das indische Grabmal aus dem Jahr 1917, der 50 Auflagen erreichte, wandte sich Thea von Harbou bald dem Film zu und arbeitete als Drehbuchautorin für den Filmproduzenten Joe May. Er machte sie mit dem aus Wien stammenden Regisseur Fritz Lang bekannt: Das Traumpaar des deutschen (Stumm-)Films war geboren. Ihre berühmtesten gemeinsamen Werke sind: Metropolis, M. Eine Stadt sucht ihren Mörder und Die Nibelungen.
Metropolis, der im Januar 1927 in Berlin uraufgeführt wurde, avancierte zum Kultfilm und etablierte in Deutschland ein neues Genre: den Science-Fiction-Film. Doch seine Wirkung ging weiter über Deutschland hinaus, wie die berühmten Filme dieses Genres, Star Wars, Bald Runner, Das fünfte Element, zeigen, die allesamt Elemente des Klassikers zitieren. Ernst Gortner resümiert, „dass Metropolis zur filmischen Chiffre für das Zukünftige, das Visionäre und das Utopische schlechthin geworden ist“.
Die Dreharbeiten von Metropolis erstreckten sich über zwei Jahre, 35 000 Komparsen waren an den Massenszenen in der berühmten expressionistisch-futuristischer Kulisse beteiligt. Die Gesellschaft der Zukunftsstadt ist zweigeteilt: hier die Arbeiter, die ausgebeutet werden und Sklavenarbeit verrichten, dort die Oberschicht, die im Luxus lebt.
Solange der Mann da drüben, der nichts als Arbeit war, Schlaf verachtete, mechanisch aß und trank, den Fingerdruck auf der blauen Metallplatte ruhen ließ, die außer ihm noch nie ein Mensch berührt hatte, brüllte die Stimme der Maschinenstadt Metropolis nach Futter, nach Futter, nach Futter… Sie wollte lebendige Menschen als Futter haben. Da schob sich das lebendige Futter in Massen heran. Auf der Straße kam es, auf seiner eigenen Straße, die sich nie kreuzte mit anderen Menschenstraßen. Es wälzte sich breit heran, ein endloser Strom. Zwölf Glieder breit war der Strom. Die gingen im gleichen Schritt. Männer, Männer, Männer [...] Und sie hatten alle die gleichen Gesichter.
Die Kritik nahm sowohl den Roman als auch den Film kontrovers auf. Von der „Symphonie der Bewegung“ schwärmte der spanische Regisseur Luis Bunuel: „Das äußerst lebhafte Funkeln des Stahls, die rhythmische Abfolge von Rädern, Kolben, von noch nicht erschaffenen mechanischen Formen, dies ist eine bewundernswerte Ode, eine ganz neue Poesie für unsere Augen.“
Dagegen warf der Kunsttheoretiker Rudolf Arnheim Thea von Harbou vor, sie pflanze „Sentimentalitäten auf einem Gebiet, wo sie ohnehin genügend wuchern und rücksichtslos ausgekrautet werden müssten, wenn es vorwärts gehen soll in der Welt“.
Trotz zahlreicher Anfeindungen behauptete sich Thea von Harbou als einzige Frau in der Filmindustrie der Weimarer Republik. Fritz Lang, mit dem sie einige Jahre verheiratete war, schätzte ihre Phantasie und Präzision und bezog sie in die Dreharbeiten mit ein. Während der Nazizeit trennten sich ihre Wege: Thea von Harbou wurde NSDAP-Mitglied und arbeitete weiter als Drehbuchautorin, Fritz Lang emigrierte in die USA. Sie sahen sich nie wieder.
Weitere Kapitel:
Thea von Harbou wuchs auf einem Rittergut im oberfränkischen Tauperlitz bei Hof auf und genoss die Erziehung einer höheren Tochter. Bereits als junges Mädchen verfasste sie Gedichte und entwickelte eine Vorliebe für Märchen, Mythen und Sagen. Winnetou, der Häuptling der Apachen, war ihr Idol. Am linken Handgelenk hatte sie sich mit einer Nadel ein W eingeritzt.
Ernst Gortner äußert in seinem Aufsatz „Schattenmund. Die kinematographischen Visionen de Thea Gabriele von Harbou“ (in: Flessner: Visionäre aus Franken. Sechs phantastische Biographien) die ebenso erstaunliche wie schlüssige Beobachtung: „Thea von Harbou selbst holte das `W´ vom Sternenhimmel ihrer narzisstisch-imaginären Jugendliebe auf die Erde herunter und stellte diese Phantasmagorie ihres männlichen Ideal-Ich vom Kopf auf die Füße. Aus dem `W´ wie Winnetou wurde ein `M´ wie Mörder.“
In Thea von Harbous Büchern waren selbstlose Frauen, die sich aufopfern, beliebtes Thema. Nach dem großen Erfolg des Romans Das indische Grabmal aus dem Jahr 1917, der 50 Auflagen erreichte, wandte sich Thea von Harbou bald dem Film zu und arbeitete als Drehbuchautorin für den Filmproduzenten Joe May. Er machte sie mit dem aus Wien stammenden Regisseur Fritz Lang bekannt: Das Traumpaar des deutschen (Stumm-)Films war geboren. Ihre berühmtesten gemeinsamen Werke sind: Metropolis, M. Eine Stadt sucht ihren Mörder und Die Nibelungen.
Metropolis, der im Januar 1927 in Berlin uraufgeführt wurde, avancierte zum Kultfilm und etablierte in Deutschland ein neues Genre: den Science-Fiction-Film. Doch seine Wirkung ging weiter über Deutschland hinaus, wie die berühmten Filme dieses Genres, Star Wars, Bald Runner, Das fünfte Element, zeigen, die allesamt Elemente des Klassikers zitieren. Ernst Gortner resümiert, „dass Metropolis zur filmischen Chiffre für das Zukünftige, das Visionäre und das Utopische schlechthin geworden ist“.
Die Dreharbeiten von Metropolis erstreckten sich über zwei Jahre, 35 000 Komparsen waren an den Massenszenen in der berühmten expressionistisch-futuristischer Kulisse beteiligt. Die Gesellschaft der Zukunftsstadt ist zweigeteilt: hier die Arbeiter, die ausgebeutet werden und Sklavenarbeit verrichten, dort die Oberschicht, die im Luxus lebt.
Solange der Mann da drüben, der nichts als Arbeit war, Schlaf verachtete, mechanisch aß und trank, den Fingerdruck auf der blauen Metallplatte ruhen ließ, die außer ihm noch nie ein Mensch berührt hatte, brüllte die Stimme der Maschinenstadt Metropolis nach Futter, nach Futter, nach Futter… Sie wollte lebendige Menschen als Futter haben. Da schob sich das lebendige Futter in Massen heran. Auf der Straße kam es, auf seiner eigenen Straße, die sich nie kreuzte mit anderen Menschenstraßen. Es wälzte sich breit heran, ein endloser Strom. Zwölf Glieder breit war der Strom. Die gingen im gleichen Schritt. Männer, Männer, Männer [...] Und sie hatten alle die gleichen Gesichter.
Die Kritik nahm sowohl den Roman als auch den Film kontrovers auf. Von der „Symphonie der Bewegung“ schwärmte der spanische Regisseur Luis Bunuel: „Das äußerst lebhafte Funkeln des Stahls, die rhythmische Abfolge von Rädern, Kolben, von noch nicht erschaffenen mechanischen Formen, dies ist eine bewundernswerte Ode, eine ganz neue Poesie für unsere Augen.“
Dagegen warf der Kunsttheoretiker Rudolf Arnheim Thea von Harbou vor, sie pflanze „Sentimentalitäten auf einem Gebiet, wo sie ohnehin genügend wuchern und rücksichtslos ausgekrautet werden müssten, wenn es vorwärts gehen soll in der Welt“.
Trotz zahlreicher Anfeindungen behauptete sich Thea von Harbou als einzige Frau in der Filmindustrie der Weimarer Republik. Fritz Lang, mit dem sie einige Jahre verheiratete war, schätzte ihre Phantasie und Präzision und bezog sie in die Dreharbeiten mit ein. Während der Nazizeit trennten sich ihre Wege: Thea von Harbou wurde NSDAP-Mitglied und arbeitete weiter als Drehbuchautorin, Fritz Lang emigrierte in die USA. Sie sahen sich nie wieder.