Technikgigantomanie und Medien
Bernhard Kellermann gelingt es, technische Sachverhalte spannend darzustellen – manchmal nüchtern präzise, dann wieder symbolisch aufgeladen. wie bei der Schilderung der Riesenbohrmaschine:
Von Allan ersonnen bis auf die kleinste Einzelheit, glich sie einem ungeheuren, gepanzerten Tintenfisch, Kabel und Elektromotoren als Eingeweide, nackte Menschenleiber im Schädel, einen Schwanz von Drähten und Kabeln hinter sich nachschleifend. Von einer Energie, die der von zwei Schnellzugslokomotiven entsprach, angetrieben, kroch er vorwärts, betastete mit seinen Fühlern, Tastern, Lefzen des vielgespaltenen Maules den Berg, während er helles Licht aus den Kiefern spie. Bebend in urtierischem Zorn, hin und herschwankend vor Wollust des Zerstörens, fraß er sich heulend und donnernd bis an den Kopf hinein ins Gestein.
Der Autor widmet sich nicht nur ausführlich der gigantischen Materialschlacht, sondern auch der Verflechtung von Börse, Industrie und Medien sowie dem Konflikt zwischen Arbeitern und Unternehmern. Seine Darstellung der Arbeitsweise und Wirkung der Medien – damals waren es Zeitung, Rundfunk und Wochenschau – ist visionär.
Die Augen saugten sich fest an den Ansichten prominenter Persönlichkeiten, die ihre Meinung über den Tunnel im Telegrammstil veröffentlichten:
C. H. Lloyd: „Europa wird ein Vorort Amerikas werden.“
Der Tabakmann H. F. Herbst: „Du kannst einen Waggon Waren von New Orleans nach St. Petersburg schicken, ohne umladen zu müssen.“
Der Multimillionär H. I. Bell: „Ich werde meine Tochter, die in Paris verheiratet ist, anstatt dreimal im Jahr, zwölfmal sehen können.“
Verkehrsminister de la Forest: „Der Tunnel bedeutet für jeden Geschäftsmann ein geschenktes Lebensjahr an ersparter Zeit.“
Die technische Gigantomanie weitete sich zu einer medialen aus. Frühzeitig hatte die Edison-Bioskop-Gesellschaft eine Million Dollar für das „alleinige Recht“ gezahlt, „fotografische und kinematographische Aufnahmen vom Tunnel während der ganzen Bauzeit zu machen und zu veröffentlichen“. Daraus hatte sich die Idee zu einem wöchentlich erscheinenden aktuellen Tunnelfilm entwickelt, die eine Win-Win-Situation entstehen ließ: „Es war unmöglich, eine bessere Reklame für den Tunnel zu ersinnen“ und Edison-Bio verdiente viel Geld.
Die Filmgesellschaft ließ das Publikum Anteil haben am unmittelbaren Geschehen rund um den Tunnelbau:
Sie zeigte die schwarze Wolkenbank, die ewig über dem Materialbahnhof in Mac City steht. Sie zeigte die unübersehbare Armee von Waggons, die von tausend qualmenden Lokomotiven aus allen Staaten Amerikas hierhergeschleppt wurden. Verladebrücken, Drehkrane, Laufkatzen, Hochbahnkrane. Sie zeigte das „Fegefeuer“ und die „Hölle“ voll rasender Menschen, der Phonograph gab gleichzeitig den Lärm wieder, wie er, zwei Meilen hinter der „Hölle“, durch die Stollen tobte. Obwohl durch einen Dämpfer aufgenommen, war der Lärm so überwältigend und entsetzlich, dass das Auditorium sich die Ohren zuhielt. [...] In dreißigtausend Theatern führte Edison-Bio die Tunnelfilme täglich vor. Es gab kein Nest in Sibirien und Peru, wo man die Filme nicht sah. So war es natürlich, dass all die Höchstkommandierenden des Tunnelbaus ebenso bekannt wurden wie Allan selbst.
Weitere Kapitel:
Bernhard Kellermann gelingt es, technische Sachverhalte spannend darzustellen – manchmal nüchtern präzise, dann wieder symbolisch aufgeladen. wie bei der Schilderung der Riesenbohrmaschine:
Von Allan ersonnen bis auf die kleinste Einzelheit, glich sie einem ungeheuren, gepanzerten Tintenfisch, Kabel und Elektromotoren als Eingeweide, nackte Menschenleiber im Schädel, einen Schwanz von Drähten und Kabeln hinter sich nachschleifend. Von einer Energie, die der von zwei Schnellzugslokomotiven entsprach, angetrieben, kroch er vorwärts, betastete mit seinen Fühlern, Tastern, Lefzen des vielgespaltenen Maules den Berg, während er helles Licht aus den Kiefern spie. Bebend in urtierischem Zorn, hin und herschwankend vor Wollust des Zerstörens, fraß er sich heulend und donnernd bis an den Kopf hinein ins Gestein.
Der Autor widmet sich nicht nur ausführlich der gigantischen Materialschlacht, sondern auch der Verflechtung von Börse, Industrie und Medien sowie dem Konflikt zwischen Arbeitern und Unternehmern. Seine Darstellung der Arbeitsweise und Wirkung der Medien – damals waren es Zeitung, Rundfunk und Wochenschau – ist visionär.
Die Augen saugten sich fest an den Ansichten prominenter Persönlichkeiten, die ihre Meinung über den Tunnel im Telegrammstil veröffentlichten:
C. H. Lloyd: „Europa wird ein Vorort Amerikas werden.“
Der Tabakmann H. F. Herbst: „Du kannst einen Waggon Waren von New Orleans nach St. Petersburg schicken, ohne umladen zu müssen.“
Der Multimillionär H. I. Bell: „Ich werde meine Tochter, die in Paris verheiratet ist, anstatt dreimal im Jahr, zwölfmal sehen können.“
Verkehrsminister de la Forest: „Der Tunnel bedeutet für jeden Geschäftsmann ein geschenktes Lebensjahr an ersparter Zeit.“
Die technische Gigantomanie weitete sich zu einer medialen aus. Frühzeitig hatte die Edison-Bioskop-Gesellschaft eine Million Dollar für das „alleinige Recht“ gezahlt, „fotografische und kinematographische Aufnahmen vom Tunnel während der ganzen Bauzeit zu machen und zu veröffentlichen“. Daraus hatte sich die Idee zu einem wöchentlich erscheinenden aktuellen Tunnelfilm entwickelt, die eine Win-Win-Situation entstehen ließ: „Es war unmöglich, eine bessere Reklame für den Tunnel zu ersinnen“ und Edison-Bio verdiente viel Geld.
Die Filmgesellschaft ließ das Publikum Anteil haben am unmittelbaren Geschehen rund um den Tunnelbau:
Sie zeigte die schwarze Wolkenbank, die ewig über dem Materialbahnhof in Mac City steht. Sie zeigte die unübersehbare Armee von Waggons, die von tausend qualmenden Lokomotiven aus allen Staaten Amerikas hierhergeschleppt wurden. Verladebrücken, Drehkrane, Laufkatzen, Hochbahnkrane. Sie zeigte das „Fegefeuer“ und die „Hölle“ voll rasender Menschen, der Phonograph gab gleichzeitig den Lärm wieder, wie er, zwei Meilen hinter der „Hölle“, durch die Stollen tobte. Obwohl durch einen Dämpfer aufgenommen, war der Lärm so überwältigend und entsetzlich, dass das Auditorium sich die Ohren zuhielt. [...] In dreißigtausend Theatern führte Edison-Bio die Tunnelfilme täglich vor. Es gab kein Nest in Sibirien und Peru, wo man die Filme nicht sah. So war es natürlich, dass all die Höchstkommandierenden des Tunnelbaus ebenso bekannt wurden wie Allan selbst.