Lion Feuchtwanger – „Die häßliche Herzogin“: Hässlichkeit als Strafe
Da ihr Vater, der König von Tirol, keine männlichen Nachkommen hat, soll Margarete die Regentschaft des Landes übernehmen. Mit zwölf Jahren wird sie deswegen mit dem zehnjährigen Johann Heinrich von Luxemburg verheiratet. Die beiden führen zu keinem Zeitpunkt eine glückliche Ehe. Johann behandelt Margarete schlecht, ist bösartig und herrschsüchtig. Sie selbst gilt als klug, belesen, kultiviert und erweist sich später als begabte Politikerin und Strategin und wird dafür auch von ihren Untertanen respektiert. Dennoch wird hinter ihrem Rücken stets nur über ihr Äußeres gelästert.
War sie vorbei, schaute man sich an, feixte. „Das überworfene Maul! Wie eine Äffin!“, höhnten die Frauen, die unansehnlich waren und dürftig von Gestalt, Schöne hatten Mitleid. „Die Arme! Wie häßlich sie ist!“ (S. 20)
Ihr Aussehen macht die Herzogin zur Außenseiterin. Sie versteckt sich zwar nicht und kommt ihren Aufgaben als Landesherrin nach, innerlich aber grenzt sie sich von ihren Mitmenschen ab. Schminke, prunkvollen Schmuck und modische Kleider nutzt sie als äußeres Mittel der Distanzierung, Stolz und Stärke als innerliche Abgrenzungsmechanismen.
Sie war nicht feig, verkroch sich nicht, schluckte die ganze Bitterkeit solcher Erfahrung. Sah [...], wie [...] [die Blicke] [...] höhnisch über sie selber glitten, den äffisch sich vorwulstenden Mund, die fahle, widerwärtige Haut. Sie wandte den Blick nicht ab vor solchem Hohn; kühl und so wissend begegneten ihre Augen den Höhnischen, daß sie, fast beschämt manchmal abließen. (S. 48)
Gleichwohl gelingt der Figur die Aufrechterhaltung dieser emotionalen Distanziertheit und Akzeptanz ihres „Schicksals“ nicht immer. Es wird die Frage aufgeworfen, ob ihre Entstellung eine Strafe Gottes sei:
War es eine Strafe Gottes, daß sie so häßlich war? Was wollte Gott mit ihr? (S. 54)
Ihre als Behinderung empfundene Hässlichkeit wird von der Figur selbst zunächst als Strafe Gottes interpretiert. Anders als bei der mittelalterlichen Erzählung über Helmbrecht, bei der es ebenfalls um Behinderung als Form der Strafe Gottes geht, hat Margarete aber keine Verstöße gegen Gottes Gebote begangen. Zwar wird Margaretes Gezeichnetsein durch Gott später auch ins Positive umgedeutet, als „Geschenk“, das sie innerlich auf den rechten Weg leitet. Insgeheim würde die Herzogin aber sogar ihren hohen gesellschaftlichen Stand dafür eintauschen, ein armes, aber „wohlgeschaffenes“ Bauernmädchen zu sein.
Weitere Kapitel:
Da ihr Vater, der König von Tirol, keine männlichen Nachkommen hat, soll Margarete die Regentschaft des Landes übernehmen. Mit zwölf Jahren wird sie deswegen mit dem zehnjährigen Johann Heinrich von Luxemburg verheiratet. Die beiden führen zu keinem Zeitpunkt eine glückliche Ehe. Johann behandelt Margarete schlecht, ist bösartig und herrschsüchtig. Sie selbst gilt als klug, belesen, kultiviert und erweist sich später als begabte Politikerin und Strategin und wird dafür auch von ihren Untertanen respektiert. Dennoch wird hinter ihrem Rücken stets nur über ihr Äußeres gelästert.
War sie vorbei, schaute man sich an, feixte. „Das überworfene Maul! Wie eine Äffin!“, höhnten die Frauen, die unansehnlich waren und dürftig von Gestalt, Schöne hatten Mitleid. „Die Arme! Wie häßlich sie ist!“ (S. 20)
Ihr Aussehen macht die Herzogin zur Außenseiterin. Sie versteckt sich zwar nicht und kommt ihren Aufgaben als Landesherrin nach, innerlich aber grenzt sie sich von ihren Mitmenschen ab. Schminke, prunkvollen Schmuck und modische Kleider nutzt sie als äußeres Mittel der Distanzierung, Stolz und Stärke als innerliche Abgrenzungsmechanismen.
Sie war nicht feig, verkroch sich nicht, schluckte die ganze Bitterkeit solcher Erfahrung. Sah [...], wie [...] [die Blicke] [...] höhnisch über sie selber glitten, den äffisch sich vorwulstenden Mund, die fahle, widerwärtige Haut. Sie wandte den Blick nicht ab vor solchem Hohn; kühl und so wissend begegneten ihre Augen den Höhnischen, daß sie, fast beschämt manchmal abließen. (S. 48)
Gleichwohl gelingt der Figur die Aufrechterhaltung dieser emotionalen Distanziertheit und Akzeptanz ihres „Schicksals“ nicht immer. Es wird die Frage aufgeworfen, ob ihre Entstellung eine Strafe Gottes sei:
War es eine Strafe Gottes, daß sie so häßlich war? Was wollte Gott mit ihr? (S. 54)
Ihre als Behinderung empfundene Hässlichkeit wird von der Figur selbst zunächst als Strafe Gottes interpretiert. Anders als bei der mittelalterlichen Erzählung über Helmbrecht, bei der es ebenfalls um Behinderung als Form der Strafe Gottes geht, hat Margarete aber keine Verstöße gegen Gottes Gebote begangen. Zwar wird Margaretes Gezeichnetsein durch Gott später auch ins Positive umgedeutet, als „Geschenk“, das sie innerlich auf den rechten Weg leitet. Insgeheim würde die Herzogin aber sogar ihren hohen gesellschaftlichen Stand dafür eintauschen, ein armes, aber „wohlgeschaffenes“ Bauernmädchen zu sein.