Behinderung als Metapher
In ihrem Buch Krankheit als Metapher deckt Susan Sontag an einem verwandten Gegenstand ein heuristisches Prinzip auf, das hinter der metaphorischen Verwendung von Krankheiten – und in übertragbarer Weise auch von Behinderungen – steht. Es zeigt sich dabei, dass Krankheit und Behinderung eben gerade keine Metaphern sein können.
Die Bezeichnungen der verschiedenen Formen von Behinderung stehen oftmals für ein Unvermögen, Einschränkungen, ein Nicht-Können oder Nicht-Dürfen, ein Anderssein, das automatisch die Abgrenzungen von den „Gesunden“, den „Normalen“ hervorhebt. Die Unterscheidung von geistiger und körperlicher Behinderung kann hier sogar noch hierarchisierend und verstärkend wirken. Die Benennungen forcieren die Trennung der Lebenswelten von Menschen mit Behinderung und Menschen ohne Behinderung sprachlich und transportieren sie damit auch in unsere Köpfe und unser Handeln.
Selbst Assoziationen wie „Behinderung als Strafe“, verhängt durch Gott oder eine andere dem menschlichen Leben übergeordnete Instanz, können immer noch nachgezeichnet werden. Hier kann nicht nur Mitleid mitschwingen, sondern auch Verachtung, etwa wenn davon ausgegangen wird, dass eine Behinderung zum Charakter des Betroffenen passt. Die Frage nach der „Verursachung“ wird durch ihre impliziten Bedeutungen auf der metaphorischen Ebene also gefährlich: Sie kann Diskriminierung schaffen.
Eugène Laermans (1864-1940): De blinde, Gemälde 1898
Werden Behinderungen zur Diskriminierung genutzt, dann sind es oftmals diejenigen, „die als vielfach determiniert (d.h. mysteriös) gelten, die als Metaphern für das gelten, was als gesellschaftlich oder moralisch falsch empfunden“ wird. Bei Sontag heißt es: „Die Bildersprache der Krankheiten wird verwendet, um Besorgnis über die gesellschaftliche Ordnung auszudrücken“.
Behinderungen sind ein Angriff auf die Ordnung, könnte man sagen, da sie als ein Angriff auf die Gesundheit, die Ganzheit, die Natürlichkeit verstanden werden. Im metaphorischen Sprechen werden sie mit Extremen – Entsetzlichem und Abstoßendem – personifiziert. Das mag sich zwar auf einer sprachlichen Ebene abspielen. Dennoch werden die Menschen, die von den Behinderungen betroffen sind, dadurch ausgegrenzt, ihnen wird die Teilhabeberechtigung abgesprochen, weil es um eine vermeintlich „höhere Sache“ geht und die Bezeichnungen für ihren Zustand mit negativen moralischen Wertvorstellungen verknüpft werden, die dieser Sache schaden.
Die Sprache wird hier zum Problem. Kann es als Entschuldigung gelten, dass sich die Artikulation auf einer unbewussten bzw. metaphorischen Ebene bewegt? Oder entlarvt dies nicht gerade ein Nicht-Bewusstsein.
Sekundärliteratur:
Mürner, Christian (1990): Behinderung als Metapher. Pädagogik und Psychologie zwischen Behinderung und Kunst am Beispiel von Behinderten in der Literatur. Verlag Paul Haupt, Stuttgart/Bern.
Sontag, Susan (1981): Krankheit als Metapher. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main.
Weitere Kapitel:
In ihrem Buch Krankheit als Metapher deckt Susan Sontag an einem verwandten Gegenstand ein heuristisches Prinzip auf, das hinter der metaphorischen Verwendung von Krankheiten – und in übertragbarer Weise auch von Behinderungen – steht. Es zeigt sich dabei, dass Krankheit und Behinderung eben gerade keine Metaphern sein können.
Die Bezeichnungen der verschiedenen Formen von Behinderung stehen oftmals für ein Unvermögen, Einschränkungen, ein Nicht-Können oder Nicht-Dürfen, ein Anderssein, das automatisch die Abgrenzungen von den „Gesunden“, den „Normalen“ hervorhebt. Die Unterscheidung von geistiger und körperlicher Behinderung kann hier sogar noch hierarchisierend und verstärkend wirken. Die Benennungen forcieren die Trennung der Lebenswelten von Menschen mit Behinderung und Menschen ohne Behinderung sprachlich und transportieren sie damit auch in unsere Köpfe und unser Handeln.
Selbst Assoziationen wie „Behinderung als Strafe“, verhängt durch Gott oder eine andere dem menschlichen Leben übergeordnete Instanz, können immer noch nachgezeichnet werden. Hier kann nicht nur Mitleid mitschwingen, sondern auch Verachtung, etwa wenn davon ausgegangen wird, dass eine Behinderung zum Charakter des Betroffenen passt. Die Frage nach der „Verursachung“ wird durch ihre impliziten Bedeutungen auf der metaphorischen Ebene also gefährlich: Sie kann Diskriminierung schaffen.
Eugène Laermans (1864-1940): De blinde, Gemälde 1898
Werden Behinderungen zur Diskriminierung genutzt, dann sind es oftmals diejenigen, „die als vielfach determiniert (d.h. mysteriös) gelten, die als Metaphern für das gelten, was als gesellschaftlich oder moralisch falsch empfunden“ wird. Bei Sontag heißt es: „Die Bildersprache der Krankheiten wird verwendet, um Besorgnis über die gesellschaftliche Ordnung auszudrücken“.
Behinderungen sind ein Angriff auf die Ordnung, könnte man sagen, da sie als ein Angriff auf die Gesundheit, die Ganzheit, die Natürlichkeit verstanden werden. Im metaphorischen Sprechen werden sie mit Extremen – Entsetzlichem und Abstoßendem – personifiziert. Das mag sich zwar auf einer sprachlichen Ebene abspielen. Dennoch werden die Menschen, die von den Behinderungen betroffen sind, dadurch ausgegrenzt, ihnen wird die Teilhabeberechtigung abgesprochen, weil es um eine vermeintlich „höhere Sache“ geht und die Bezeichnungen für ihren Zustand mit negativen moralischen Wertvorstellungen verknüpft werden, die dieser Sache schaden.
Die Sprache wird hier zum Problem. Kann es als Entschuldigung gelten, dass sich die Artikulation auf einer unbewussten bzw. metaphorischen Ebene bewegt? Oder entlarvt dies nicht gerade ein Nicht-Bewusstsein.
Mürner, Christian (1990): Behinderung als Metapher. Pädagogik und Psychologie zwischen Behinderung und Kunst am Beispiel von Behinderten in der Literatur. Verlag Paul Haupt, Stuttgart/Bern.
Sontag, Susan (1981): Krankheit als Metapher. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main.