Bettine von Arnim in Altötting
Die Schriftstellerin und Tochter eines Frankfurter Großkaufmanns ist eine bedeutende Vertreterin der deutschen Romantik. Schwester des Dichters Clemens Brentano, Gattin seines Dichterfreundes Achim von Arnim und Enkelin der Schriftstellerin Sophie von La Roche, ist Bettine von Arnim mit vielen berühmten Zeitgenossen bekannt, u.a. mit Goethe und dessen Mutter. Mit Goethes Briefwechsel mit einem Kinde (1835) setzt sie drei Jahre nach Goethes Tod mit großenteils erfundenen Briefen dem Dichterfürsten und sich ein Denkmal. Auf ihrer Reise nach Salzburg im Mai 1810 macht Bettine von Arnim Station in „Alt-Ötingen“, wo sie in Bayerns berühmtesten Wallfahrtsort die Frömmigkeit der Pilger beim Gebet studiert:
Der Tagereisen waren zwei bis Salzburg, auf der ersten kamen wir bis Alt-Ötingen, wo das wunderthätige Marienbild in einer düsteren Kapelle die Pilger von allen Seiten herbeilockt. Schon der ganze Platz umher und die äußern Mauern sind mit Votivtafeln gedeckt, es macht einen sehr ängstlichen Eindruck, die Zeugnisse schauerlicher Geschicke und tausendfachen Elendes gedrängt neben einander, und über diese hin ein beständiges Ein- und Ausströmen der Wallfahrer mit bedrängenden Gebeten und Gelübden um Erhörung, jeden Tag des Jahres von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Früh Morgens um 4 Uhr beginnt der Gottesdienst mit Musik und währt bis zur Nacht. Das Innere der Kapelle ist ganz mit schwarzem Sammt überzogen, auch selbst das Gewölbe, und mehr durch Kerzenlicht als vom Tag erleuchtet, die Altäre von Silber, an den Wänden hängen silberne Glieder und Gebeine, und viele silberne Herzen mit goldnen Flammen oder feurigen Wunden, – wie sonderbar, Goethe! der Mensch! er bringt seine Schmerzen als Opfer der Gottheit, und da mögen diese Schmerzen entstanden sein woher sie wollen, in Gott wird alles göttlich; – Max von Baiern knieet in Lebensgröße auch von Silber auf den schwarzen Stufen des Altars, vor dem kohlrabenschwarzen Muttergottesbild, das ganz in Diamanten gekleidet ist, zwei Männerstimmen, von der dumpfen Orgel begleitet, singen ihr Hymnen, das stille Messelesen, die Menschen, die mit Thränen die Stufen des Altars küssen, viele tausend Seufzer aus allen Ecken, das macht den wunderlichsten Eindruck. (Zit. aus: Bettine von Arnim: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Nach dem Text der Erstausgabe herausgegeben von Wolfgang Bunzel. München 2008, S. 363f.)
Sekundärliteratur:
Tworek, Elisabeth (2011): Literarische Sommerfrische. Künstler und Schriftsteller im Alpenvorland. Ein Lesebuch. Allitera Verlag, München, S. 209, S. 246.
Weitere Kapitel:
Die Schriftstellerin und Tochter eines Frankfurter Großkaufmanns ist eine bedeutende Vertreterin der deutschen Romantik. Schwester des Dichters Clemens Brentano, Gattin seines Dichterfreundes Achim von Arnim und Enkelin der Schriftstellerin Sophie von La Roche, ist Bettine von Arnim mit vielen berühmten Zeitgenossen bekannt, u.a. mit Goethe und dessen Mutter. Mit Goethes Briefwechsel mit einem Kinde (1835) setzt sie drei Jahre nach Goethes Tod mit großenteils erfundenen Briefen dem Dichterfürsten und sich ein Denkmal. Auf ihrer Reise nach Salzburg im Mai 1810 macht Bettine von Arnim Station in „Alt-Ötingen“, wo sie in Bayerns berühmtesten Wallfahrtsort die Frömmigkeit der Pilger beim Gebet studiert:
Der Tagereisen waren zwei bis Salzburg, auf der ersten kamen wir bis Alt-Ötingen, wo das wunderthätige Marienbild in einer düsteren Kapelle die Pilger von allen Seiten herbeilockt. Schon der ganze Platz umher und die äußern Mauern sind mit Votivtafeln gedeckt, es macht einen sehr ängstlichen Eindruck, die Zeugnisse schauerlicher Geschicke und tausendfachen Elendes gedrängt neben einander, und über diese hin ein beständiges Ein- und Ausströmen der Wallfahrer mit bedrängenden Gebeten und Gelübden um Erhörung, jeden Tag des Jahres von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Früh Morgens um 4 Uhr beginnt der Gottesdienst mit Musik und währt bis zur Nacht. Das Innere der Kapelle ist ganz mit schwarzem Sammt überzogen, auch selbst das Gewölbe, und mehr durch Kerzenlicht als vom Tag erleuchtet, die Altäre von Silber, an den Wänden hängen silberne Glieder und Gebeine, und viele silberne Herzen mit goldnen Flammen oder feurigen Wunden, – wie sonderbar, Goethe! der Mensch! er bringt seine Schmerzen als Opfer der Gottheit, und da mögen diese Schmerzen entstanden sein woher sie wollen, in Gott wird alles göttlich; – Max von Baiern knieet in Lebensgröße auch von Silber auf den schwarzen Stufen des Altars, vor dem kohlrabenschwarzen Muttergottesbild, das ganz in Diamanten gekleidet ist, zwei Männerstimmen, von der dumpfen Orgel begleitet, singen ihr Hymnen, das stille Messelesen, die Menschen, die mit Thränen die Stufen des Altars küssen, viele tausend Seufzer aus allen Ecken, das macht den wunderlichsten Eindruck. (Zit. aus: Bettine von Arnim: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Nach dem Text der Erstausgabe herausgegeben von Wolfgang Bunzel. München 2008, S. 363f.)
Tworek, Elisabeth (2011): Literarische Sommerfrische. Künstler und Schriftsteller im Alpenvorland. Ein Lesebuch. Allitera Verlag, München, S. 209, S. 246.