Alltäglicher Faschismus

1965 veröffentlichte Martin Sperr sein Theaterstück Jagdszenen aus Niederbayern. Damit begann die Ära der sozialkritischen Volksstücke, die sich mit dem alltäglichen Faschismus und der unbewältigten Vergangenheit auseinandersetzen und bis heute nichts an Aktualität eingebüßt haben. 1966 fand die Uraufführung in Bremen statt. Jagdszenen aus Niederbayern brachte dem Autor neben dem Förderpreis des Gerhart-Hauptmann-Preises den Durchbruch auf deutschsprachigen Bühnen und stellte ihn in eine Reihe mit Büchner, Fleißer und Horváth.

Martin Sperr wurde 1944 als Sohn eines Lehrerehepaars in Steinberg in Niederbayern geboren. Er wuchs in Wendelskirchen auf und entschied sich, nachdem er das Internat der Barmherzigen Brüder in Algasing verlassen hatte, für den Schauspielerberuf. 1962 debütierte er in München am Theater 44, besuchte ab 1964 das Max-Reinhardt-Seminar in Wien und wechselte dann nach Wiesbaden. Sein erstes Engagement führt ihn ans Bremer Stadttheater. 1966 wurde dort sein Stück Jagdszenen aus Niederbayern uraufgeführt – mit großem Erfolg. Es entlarvt die Bigotterie einer Dorfgemeinschaft, die einen Mord und einen Selbstmord verschuldet. Das Stück wurde 1968 von Peter Fleischmann verfilmt, Sperr spielte eine der Hauptrollen. 1971 schrieb er, zusammen mit Reinhard Hauff das Drehbuch zu dessen Film Der Räuber Mathias Kneißl. 1972 folgte das Drehbuch zu einem weiteren spektakulären bayerischen Kriminalfall: Adele Spitzeder. Damit gab Peer Raben sein Regiedebüt. Bereits 1967 wurde Sperr Schauspieler und Hausautor an den Münchner Kammerspielen, er galt als wichtigster Vertreter des bayerischen Neorealismus. Im Januar 1972 erlitt er eine Gehirnblutung, in deren Folge er zunächst im Koma lag, mit einer halbseitigen Lähmung zu kämpfen hatte und immer wieder epileptische Anfälle bekam. Seine Schaffenskraft wurde durch diese Erkrankung gewaltsam gebremst, allerdings trat er weiterhin als Schauspieler auf und schloss sich 1983 dem Ensemble des Münchner Volkstheaters an. Er starb 2002 in Landshut.

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Gunna Wendt

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© Ibab Kunkel
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