Eine Litera-Tour entlang der Glasstraße Bayerischer Wald & Oberpfälzer Wald
In der Hexenküchenszene von Faust I lässt Goethe den „Kater“ über den unberechenbaren Weltlauf philosophieren. Der „Kater“ sagt:
Das ist die Welt;
Sie steigt und fällt
Und rollt beständig;
Sie klingt wie Glas :
Wie bald bricht das!
Ist hohl inwendig.
Hier glänzt sie sehr
Und hier noch mehr:
Ich bin lebendig!
Das „Glas“ ist, wie im ZEIT-Lexikon nachzulesen ist, ein „fester, in seiner überwiegenden Masse nicht kristalliner (amorpher), spröder anorganischer Werkstoff“. Das Glas hat aber auch in der Schönen Literatur der letzten einhundert Jahre seinen festen Platz und sei es nur als Chiffre, als Assoziationssignal in Buchtiteln. In der Weltliteratur finden wir u.a. die Lyrik-Sammlung Gefärbtes Glas (deutsch 2001) des Griechen Konstantinos Kavafis, den Roman von Patricia Highsmith Die gläserne Zelle (1964), Paul Austers Stadt aus Glas (1985), aber auch Stephen Kings Glas (1997). Nicht zu vergessen den modernen amerikanischen Theaterklassiker Tennessee Williams mit seinem Stück Die Glasmenagerie von 1944.
In der deutschsprachigen Literatur faszinierte das Glas-Motiv unzählige Autoren. Man denke an die reizvolle Glasharmonika von Horst Wolfram Geißler (1936) oder an Das Glasperlenspiel von Hermann Hesse (1943), das westliche und östliche Weisheit vereint, an die Dorfgeschichten Mein erstes Glas Bier (1998) des Danziger Maler-Poeten F. K. Waechter (1937-2005) oder aber an den feministischen Historien-Roman Die Glasbläserin (2000) der Stuttgarterin Petra Durst-Benning (Jg. 65). Er spielt in der thüringischen Glasbläserstadt Lauscha.
Aber auch in der Kultur- und Geschichtslandschaft des Bayerwaldes und des Oberpfälzer Waldes lässt sich das Medium „Glas“ in literarischen Texten erfahren und nachlesen. Noch bevor wir Adalbert Stifter (1805-1868) die literarische Entdeckung des Wald- und Berglandes an der bayerisch-böhmischen Grenze verdanken (Der Hochwald, 1842), schildert der in Straubing geborene Mathias von Flurl (1756-1823) in seiner Beschreibung der Gebirge von Baiern und der oberen Pfalz (1792) auch die Lebensverhältnisse zwischen „Schwefelöfen und Glashütten“ im Bayerischen Wald. In Erzählungen wie Glasmacherleut' oder Am Goldenen Steig (1869) zeichnet der damalige Bestseller-Autor Maximilian Schmidt genannt „Waldschmidt“ eindringliche Culturbilder, die „auch heute noch Beachtung und Wertschätzung verdienen“. „Glastage – Glasnächte“ heißt der Essay von Christiane Sellner (Jg. 52) aus Ludwigsthal im Bayerischen Wald in dem wunderbaren Reise-Lesebuch Bayerischer Wald. Die Autorin schreibt: „So steht auch der Bayerische Wald heute im inneren Widerspruch zwischen Mythos und Wissenschaft, zwischen Glasnächten und Glastagen, zwischen Abschied und Ankunft – und wird sich nach dieser Zeit des Umbruchs als neue Glasregion wiederfinden.“
Die Oberpfalz, einst das „Ruhrgebiet des Mittelalters” und „Waffenschmiede des Reiches”, wird weniger der Glasindustrie zugerechnet. Doch Glaserzeugung und Veredelung waren genauso wichtig. 1987 erinnerte das Jubiläum „500 Jahre Flachglas“ an die Entstehung eines Konzerns, hervorgegangen aus der Waldglashütte in Frankenreuth bei Waidhaus. „Seit dem 10. März 1487 markiert sie“, so der Wiesauer Volkskundler Adalbert Busl, „den Beginn der Geschichte Oberpfälzer Glashütten“. 1614 schlug die Geburtsstunde der „Altglashütte“ bei Flossenbürg.
Der Oberpfälzer Wald und der Bayerwald sind klassische Reiselandschaften, verbunden durch die touristische Route der „Glasstraße“. Sie sind es aber auch wert, literarisch neu bzw. wiederentdeckt zu werden. Die Reise lohnt sich zur „Nachlese“ vor Ort.
Sekundärliteratur:
Baron, Bernhard M. (2008): Herz aus Glas – Eine Litera-Tour entlang der Glasstraße. In: Oberpfälzer Heimat 52, S. 98-107.
Busl, Adalbert (2023): Oberpfalz – Land der Glasschleifen. Monographie (Weidner Heimatkundliche Arbeiten, 26).
Externe Links:
Die Glasstraße – Offizielle Homepage
Vergessenes Know-How. Glasschleifen in der Oberpfalz
Weitere Kapitel:
In der Hexenküchenszene von Faust I lässt Goethe den „Kater“ über den unberechenbaren Weltlauf philosophieren. Der „Kater“ sagt:
Das ist die Welt;
Sie steigt und fällt
Und rollt beständig;
Sie klingt wie Glas :
Wie bald bricht das!
Ist hohl inwendig.
Hier glänzt sie sehr
Und hier noch mehr:
Ich bin lebendig!
Das „Glas“ ist, wie im ZEIT-Lexikon nachzulesen ist, ein „fester, in seiner überwiegenden Masse nicht kristalliner (amorpher), spröder anorganischer Werkstoff“. Das Glas hat aber auch in der Schönen Literatur der letzten einhundert Jahre seinen festen Platz und sei es nur als Chiffre, als Assoziationssignal in Buchtiteln. In der Weltliteratur finden wir u.a. die Lyrik-Sammlung Gefärbtes Glas (deutsch 2001) des Griechen Konstantinos Kavafis, den Roman von Patricia Highsmith Die gläserne Zelle (1964), Paul Austers Stadt aus Glas (1985), aber auch Stephen Kings Glas (1997). Nicht zu vergessen den modernen amerikanischen Theaterklassiker Tennessee Williams mit seinem Stück Die Glasmenagerie von 1944.
In der deutschsprachigen Literatur faszinierte das Glas-Motiv unzählige Autoren. Man denke an die reizvolle Glasharmonika von Horst Wolfram Geißler (1936) oder an Das Glasperlenspiel von Hermann Hesse (1943), das westliche und östliche Weisheit vereint, an die Dorfgeschichten Mein erstes Glas Bier (1998) des Danziger Maler-Poeten F. K. Waechter (1937-2005) oder aber an den feministischen Historien-Roman Die Glasbläserin (2000) der Stuttgarterin Petra Durst-Benning (Jg. 65). Er spielt in der thüringischen Glasbläserstadt Lauscha.
Aber auch in der Kultur- und Geschichtslandschaft des Bayerwaldes und des Oberpfälzer Waldes lässt sich das Medium „Glas“ in literarischen Texten erfahren und nachlesen. Noch bevor wir Adalbert Stifter (1805-1868) die literarische Entdeckung des Wald- und Berglandes an der bayerisch-böhmischen Grenze verdanken (Der Hochwald, 1842), schildert der in Straubing geborene Mathias von Flurl (1756-1823) in seiner Beschreibung der Gebirge von Baiern und der oberen Pfalz (1792) auch die Lebensverhältnisse zwischen „Schwefelöfen und Glashütten“ im Bayerischen Wald. In Erzählungen wie Glasmacherleut' oder Am Goldenen Steig (1869) zeichnet der damalige Bestseller-Autor Maximilian Schmidt genannt „Waldschmidt“ eindringliche Culturbilder, die „auch heute noch Beachtung und Wertschätzung verdienen“. „Glastage – Glasnächte“ heißt der Essay von Christiane Sellner (Jg. 52) aus Ludwigsthal im Bayerischen Wald in dem wunderbaren Reise-Lesebuch Bayerischer Wald. Die Autorin schreibt: „So steht auch der Bayerische Wald heute im inneren Widerspruch zwischen Mythos und Wissenschaft, zwischen Glasnächten und Glastagen, zwischen Abschied und Ankunft – und wird sich nach dieser Zeit des Umbruchs als neue Glasregion wiederfinden.“
Die Oberpfalz, einst das „Ruhrgebiet des Mittelalters” und „Waffenschmiede des Reiches”, wird weniger der Glasindustrie zugerechnet. Doch Glaserzeugung und Veredelung waren genauso wichtig. 1987 erinnerte das Jubiläum „500 Jahre Flachglas“ an die Entstehung eines Konzerns, hervorgegangen aus der Waldglashütte in Frankenreuth bei Waidhaus. „Seit dem 10. März 1487 markiert sie“, so der Wiesauer Volkskundler Adalbert Busl, „den Beginn der Geschichte Oberpfälzer Glashütten“. 1614 schlug die Geburtsstunde der „Altglashütte“ bei Flossenbürg.
Der Oberpfälzer Wald und der Bayerwald sind klassische Reiselandschaften, verbunden durch die touristische Route der „Glasstraße“. Sie sind es aber auch wert, literarisch neu bzw. wiederentdeckt zu werden. Die Reise lohnt sich zur „Nachlese“ vor Ort.
Baron, Bernhard M. (2008): Herz aus Glas – Eine Litera-Tour entlang der Glasstraße. In: Oberpfälzer Heimat 52, S. 98-107.
Busl, Adalbert (2023): Oberpfalz – Land der Glasschleifen. Monographie (Weidner Heimatkundliche Arbeiten, 26).
Externe Links: