Erich Loest / Oberpfälzer Litera-Tour

Welche Resonanz „Autoren-Reisen“ nach sich ziehen, zeigt das Beispiel Erich Loest (1926-2013). Angefangen hatte alles unfreiwillig im Frühjahr 1945 „in den böhmischen Wäldern zwischen Schönsee und Eslarn“. Hier sollte ein „Werwolf-Bataillon“ [= Heeres-Kleinkampfschule II „Kleine Karpathen“] – verlegt aus der Slowakei – noch kriegsentscheidende Wendungen erzielen – in unmittelbarer Nähe des Hauptquartiers des „Oberbefehlshabers West“, Generalfeldmarschall Albert Kesselring, im Raum „Vohenstrauß-Pfrentsch-Eslarn-Schönsee“.

Durch die Erde ein Riß (1981) heißt sein „Lebenslauf“, der den 19jährigen Karl-May-Leser Erich Loest in unsere Region führt. Eindrucksvoll sind seine Schilderungen vom Plößer Berg bei Schönsee an der tschechischen Grenze und seine nächtlichen Erkundungen. Die Kriegsgefangenschaft erlebt Erich Loest in Weiden im sonnigen Frühjahr 1945. Zu Fuß marschiert Erich Loest durch die Nordoberpfalz zurück ins heimatliche sächsische Mittweida…

Indirekt war Erich Loest der Auslöser für die 1. Weidener Literaturtage vom Mai 1985 „1945 – Wie war das eigentlich?“, denn der sächsische Schriftsteller wollte einmal dort lesen, wo er einst in Kriegsgefangenschaft war. So beginnt denn auch seine Erzählung Stille Rückkehr eines Werwolfs (1986): „Nach Weiden in der Oberpfalz musste ich noch einmal, ich hab es vierzig Jahre lang gewusst…“ Sofort gehen seine Erinnerungen zurück ins Frühjahr 1945:

Wald über Hügeln und Tälern, im Wald schliefen sie und hoben Gruben aus, in denen sie Waffen und Munition, Lebensmittel und Schuhe, Zigaretten und Wolldecken versenkten. Die Vorräte, so wurde ihnen gesagt, waren auf ein halbes Jahr berechnet, und es würde erschossen, wer sich daran vergriff. Aber das nahmen sie nicht ernst: Eine Zwanzig-Liter-Milchkanne voller Kümmelschnaps vergruben sie nicht, sondern stellten sie ins Gebüsch, hin und wieder wallfahrteten sie dorthin und füllten ihre Feldflaschen, kümmelten bedächtig, und in heiterster Laune waren sie, als ihnen ein Oberleutnant mitteilte, der Sturmangriff der Sowjetarmee auf Berlin habe begonnen.

Nach Tagen harter Arbeit versammelte der Oberst seine Wölfe um sich und gab das Ziel bekannt: Diversionstätigkeit im Rücken des Feindes. „Wir werden kämpfen, bis die Amerikaner merken, daß wir nicht unterzukriegen sind, sich mit uns gegen die Sowjets verbünden.“ Er verlangte Lautlosigkeit, nichts durfte im Wald liegengelassen werden, keine Knäckebrotpackung, nicht einmal ein Streichholz. Er spitzte die Lippen zu einem Pfiff; so sagte er, pfeife die Kohlmeise, das sei künftig ihr Erkennungszeichen. „Beweisen Sie, daß Sie Karl May nicht umsonst gelesen haben.“

Eines Nachmittags kamen die Amerikaner. Sie fingen drei Werwölfe, die auf einer Lichtung in der Sonne gesessen hatten. L. lag im Unterholz, sah Gamaschenschuhe ein paar Meter vor sich auf dem Weg, hielt die Maschinenpistole im Anschlag…

Verfasst von: Bernhard M. Baron / Bayerische Staatsbibliothek

Sekundärliteratur:

Baron, Bernhard M. (2011): Erich Loest. Ein Werwolf in der Oberpfalz. Eine Reminiszenz. In: Oberpfälzer Heimat 56 (Weiden i.d. OPf.), S. 209-224.

Voit, Stefan (2015): Die letzte Rückkehr des Schriftstellers. Erich Loest besucht noch einmal Orte seiner Kriegsjugend. In: Vogelsang, German (Hg.): Sie kommen! Die letzten Kriegstage in der Oberpfalz 1945. Amberg, S. 152f.



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Erich Loest beim Waldspaziergang am 2. Mai 2005 am Eulenberg bei Schönsee an der tschechischen Grenze. © Stefan Voit/Der neue Tag
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