Jonathan Franzen und sein Werk

https://www.literaturportal-bayern.de/images/lpbthemes/2024/klein/Jonathan%20Franzen_500.jpg#joomlaImage://local-images/lpbthemes/2024/klein/Jonathan Franzen_500.jpg?width=500&height=260
© Janet Fine/Rowohlt Verlag

„Wie ein Hund auf dem Fahrrad“. So fühlt sich der US-Schriftsteller Jonathan Franzen, wenn er Deutsch spricht laut eigener Aussage bei seiner Lesung in München im Jahr 2010. Er tut dies, wie sich etwa bei seinen Auftritten hierzulande beobachten lässt, charmant unperfekt und mit großem Wortschatz. Was nicht von ungefähr kommt. Franzens besondere Affinität zur deutschsprachigen Literatur und sein durch Studienaufenthalte bedingter Bezug zu München und Berlin gehören zu den Aspekten und Alleinstellungsmerkmalen, die ihn von anderen weltberühmten Schriftstellerinnen und Schriftstellern unterscheiden. 

Zudem die Verbindung von anspruchsvoller und tiefsinniger Literatur mit stilistischer Rückbesinnung auf die Familienroman-Klassiker des 19. Jahrhunderts, postmodernem Gegenwartsroman sowie Entertainmentkompatibilität, kommerziellem Erfolg und Mainstream. Jonathan Franzen ist anlässlich des Erscheinens seines Romans Freiheit im Jahr 2010 auf dem Cover des „Time Magazine“ (für die schreibende Zunft ist das die große Ausnahme), ist in der Zeichentrickserie Die Simpsons verewigt (dazu muss man über Literaturbetrieb und Leserschaft hinaus bekannt und relevant sein). Er tritt in der Sendung der Unterhaltungsikone Oprah Winfrey im amerikanischen TV auf, und der damalige US-Präsident Barack Obama liest Franzens Roman Freiheit bereits vor Erscheinen. 

Außerdem hebt sich Jonathan Franzen neben den exorbitanten Verkaufszahlen seines größten Erfolgs Die Korrekturen und der Folgeveröffentlichungen von anderen auch hierzulande bekannten internationalen Besteller-Autoren und Autorinnen ab, indem er als Autor für bestimmte Kern-Themen bekannt ist, etwa Umweltschutz, Vogelbeobachtung, Internetskepsis, Familie und Dysfunktionalität. Gerade bezüglich seiner Internetskepsis, in Sachen Umwelt- und Klimaschutz und seiner kontroversen Positionen diesbezüglich gerät Franzen immer wieder in vor allem via Social Media ausgetragene hitzige Debatten und Shitstorms. Im Netz kursieren Memes, die sich über Franzens Bedeutung lustig machen, z.B. die Abbildung einer Zeichentrickfigur, die einen Roman emporreckt, versehen mit dem Text „Hemingway? He’s no Jonathan Franzen“.

Auf seine Kernthemen geht Jonathan Franzen immer wieder ein. Bis 2024 veröffentlichte er sechs Romane: Die 27ste Stadt (1988, auf Deutsch 2005), Schweres Beben (1992, auf Deutsch 2006), Die Korrekturen (2001, auf Deutsch 2002), Freiheit (2010), Unschuld (2015) und Crossroads (2021). Seine Essays, die häufig aus Vorträgen entstehen, erscheinen zunächst in Zeitungen und Zeitschriften. Veröffentlicht wurden bisher drei Essaysammelbände: Anleitung zum Alleinsein (2002, überarbeitete Neuauflage 2007), Weiter weg (2012, auf Deutsch 2013) und Das Ende vom Ende der Welt (2018, auf Deutsch 2019). Dazu kommen der autobiografische Erzählband Die Unruhezone – eine Geschichte von mir (2006, auf Deutsch 2007) und eine Hommage an sein frühes Vorbild Karl Kraus unter dem Titel Das Kraus Projekt (2013, auf Deutsch 2014), in der er zwei für ihn entscheidende Essays aus Kraus‘ Werk übersetzt sowie in ausführlichen Fußnoten kommentiert und anhand der Bedeutung und Wirkung von Kraus auch sein eigenes Leben reflektiert. Zudem gibt es Jonathan Franzens Essay über die Klimakatastrophe Wann hören wir auf, uns etwas vorzumachen? in Buchform (2019, auf Deutsch 2020).

Jüngst tritt Jonathan Franzen hierzulande in den Medien in Erscheinung etwa anlässlich seines 2022 erfolgenden Wechsels von seinem norddeutschen Stammverlag Rowohlt, wo alle bisherigen Werke auf Deutsch erschienen sind, zu dtv in München. Grund sind personelle Veränderung in der Verlagsführung. 2023 trifft seine Übersetzung des Romans Am kürzeren Ende der Sonnenallee von Thomas Brussig. Außerdem übersetzt Franzen im Jahr 2007 auch Frank Wedekinds Drama Frühlings Erwachen ins Englische).

Verfasst von: Thomas Steierer