BITTER-SÜSS. Ein lyrischer Essay(-Dialog)

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Sara Gómez © Tim Kuhn

Bittersüß spürt dem nach, was es heißt, heute Feminist*in und Autor*in zu sein, den Weg eines intersektionalen[1] Feminismus zu gehen, das eigene Leben zu bestreiten und dabei nicht an allen Klippen zu zerschellen.

By and large, why are feminists such bitter and evil people? – Because caffeine is bitter and I’m made of coffee.[2] [Allgemein gesprochen, warum sind Feminist*innen solch bittere und bösartige Menschen? –  Weil Koffein bitter ist und ich aus Kaffee bestehe.]

Die bittere Feminist*in. Die verbitterte Alte Jungfer. Die*der bitter-verzweifelte Queer[3]. Diese Klischees verfolgen uns, schweben neben und über uns wie unnachgiebige Geister, halten uns vor Augen, was eine von patriarchalen Seilen durchzogene Gesellschaft von uns erwartet, uns zuschreibt. Auf der anderen Seite steht die neue Feminist*in: die sich im Sinne der Self-Care die Augen mit pastelllila Concealer und Schwämmchen tupft, die Wiederauferstehung der Barbie feiert, ihren Körper und ihre Sexualität scheinbar liebt, Feminismus als Kapital einsetzt, ihre Termine in Achtsamkeitskalender einträgt und „trotz Feminismus“ ein süßes, lustiges, aufregendes Leben führt, das alles ist – nur nicht bitter. Was unter ihrem perfekten Cappuccinoschaum lauert, kann so lange ignoriert werden, bis sie sich daran verschluckt.

Der folgende Essay möchte genau diesen Ambivalenzen der Bitterkeit und der Süße des Lebens als Feminist*in nachgehen, als politisch denkender und handelnder Mensch, als fühlendes und individuelles Wesen und als Autor*in in diesen herausfordernden Zeiten. Jede von uns beiden stellt sich auf ihre Art den Fragen: Was geschieht, wenn wir die süßen Krusten ablösen und den Blick hin zum bitteren Kern wagen? Welche Süße können wir erst dann schmecken, wenn wir zu Feminist*innen und Autor*innen werden, welche nicht mehr? Was ist dran an den Klischees, die wie Kleidung an uns hängen, und an welchen Stellen sind sie mit unseren Selbsterfahrungen vernäht? Und welches Handwerkszeug haben wir als Autor*innen sie aufzutrennen? Immer wieder korrespondieren die Textteile, fangen Fäden auf oder rearrangieren sie. Bittersüß spürt nach, was es für uns heißt, heute Feminist*in und Autor*in zu sein, den Weg eines intersektionalen Feminismus zu gehen, das eigene Leben zu bestreiten und dabei nicht an allen Klippen zu zerschellen.

 

[1] Wissenschaftlich betrachtet ist Intersektionalität ein soziologisches Konzept, das erlaubt, Identität als vielschichtiges Konstrukt zu verstehen. Es wurde insbesondere von der Juristin Kimberlé Crenchaw geprägt. Intersektionalität dient demnach als „Lupe“, die die unterschiedlichen Bedingungen einer Diskriminierung erkennbar macht. Grundlegend für dieses Verständnis ist, dass Diskriminierung Differenzen schafft – und nicht umgekehrt. Im Prozess der Diskriminierung kann es zu einer Überschneidung dieser Differenzlinien kommen und damit zur Schaffung intersektionaler Verschränkung und ggf. Potentierung der Diskriminierung, etwa als Schwarze Frau. Vgl.: https://missy-magazine.de/blog/2017/05/29/hae-was-heisst-denn-intersektionalitaet/

[2] Aus einer Konversation auf Quora.com. Quora ist eine US-amerikanische Plattform, die 2009 gegründet wurde und nach einem Frage-Antwort-Prinzip funktioniert. Das Konzept baut darauf auf, dass man sich gegenseitig hilft und Wissen somit verbreitet. Quora gilt als Primärquelle (im Gegensatz zu wikipedia).

[3] Heute wird der Begriff meist positiv als Selbstbezeichnung gebraucht, vor allem von Menschen, die ihre Identität als ‚außerhalb der gesellschaftlichen Norm‘ ansehen. Außerdem kann queer als Überbegriff für Menschen benutzt werden, die nicht in die romantischen, sexuellen und / oder geschlechtlichen Normen der Gesellschaft passen. Oft wird es als offenere Variante zu LSBT+ verwendet. Vgl.: https://queer-lexikon.net/2017/06/08/queer/

Verfasst von: Alisha Gamisch und Sara Gómez