Indienbilder nach dem Zweiten Weltkrieg

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Ghats in Varanasi. Bild von Makalu auf Pixabay

Die Autor*innen, die sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit Indien auseinandersetzen, tun dies zumeist nach einem mehr oder minder längeren Aufenthalt dortzulande. Einer der ersten ist Günter Grass (1927-2015) in seinen Texten Der Butt (1977), Kopfgeburten oder Die Deutschen sterben aus (1980), Zunge zeigen (1988) und Unkenrufe (1992). Grass wurde oftmals der Darstellung eines grauenhaften Indienbildes bezichtigt. In der Tat ist es zumeist ein von Armut gekennzeichnetes, ein mit Dreck besudeltes: „Warum nicht ein Gedicht über den Haufen Scheiße, wie Gott ihn fallen ließ und Kalkutta nannte.“ (Günter Grass: Der Butt. Darmstadt 1977, S. 235.) Allerdings wird man Grass mit dieser Einordnung nicht ganz gerecht. Auf der einen Seite zeigt sich in Unkenrufe ein anderes Indienbild, das des Kosmopolitismus und der Geschäftstüchtigkeit. Auf der anderen Seite spielt gerade Kopfgeburten mit einer seltenen Ambivalenz, mit dem „Einerseits-andererseits“, das die Polarisierung oft vermissen lässt. Zudem ist Ironie in den meisten seiner Werke ein verwendetes Stilmittel – wenngleich er damit für den ein oder anderen entlang des zynischen Abgrunds tänzelt. Letztlich sollte man Grass politisch lesen. Er macht sichtbar, was in Deutschland versteckt wird: der Tod, die Armut, das Elend. Und ähnlich wie Hegel einst sein Ressentiment gegen die Romantiker mit allem verband, was sie guthießen, will Grass mit dem grassierenden überromantisierenden Bild Indiens aufräumen. (Vgl. Gregor Neumann: Bestandsaufnahme eines Missvergnügungsreisenden. Das Indienbild des Günter Grass. In: Südasien-Informationen 13, 2007, S. 3-18.) Und wie Hegel schießt Grass, trotz dieses mehr oder weniger noblen Gedankens, gelegentlich über das Ziel hinaus. Vielleicht hätte Grass nachhaltiger wirken können, wenn er seine Kritik nicht ganz so radikal geübt hätte und damit provozierte, dass sich die Adressat*innen von vornherein den berechtigten Gedanken verschlossen.

Josef Winklers (*1953) Texte Domra. Am Ufer des Ganges (1996) und Roppongi. Requiem für einen Vater (2008) bringen einen nach Varanasi. Wie Grass, der nach einer „Ästhetik der Armut“ sucht, hat Winkler die Tendenz, den gebieterischen Blick in einen exotistischen zu verkehren. (Günter Grass: Zunge Zeigen. Darmstadt 1988, S. 71.) Seine Obsession mit dem Tod und den Verbrennungen versucht sich, so könnte man sagen, an einer Ästhetik des Todes. Im Gegensatz dazu schafft es Martin Mosebach (*1951), neben seinem Reisebericht Stadt der wilden Hunde. Nachrichten aus dem alltäglichen Indien (2008), vor allem in seinem Roman Das Beben (2005) sich gemeinhin von exotistischen und gebieterischen Bildern fernzuhalten, ihnen gar entgegenzuwirken. Auch Ulla Lenze (*1973) bemüht sich darum in Schwester und Bruder (2003) und Archanu (2008).

Verfasst von: Dr. Krisha Kops

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Bild von Jörg Peter auf Pixabay