Der Münchner Schriftstellerinnen-Verein (1913)

Der Münchner Schriftstellerinnen-Verein wird im November 1913 von den Münchner Schriftstellerinnen Emma Haushofer-Merk und Carry Brachvogel mit Unterstützung des Vereins für Fraueninteressen gegründet. Beide Schriftstellerinnen sind zum Gründungszeitpunkt als Frauenrechtlerinnen im Vorstand des Vereins für Fraueninteressen tätig und haben hier wichtige Positionen inne: Emma Haushofer-Merk ist die zweite Vorsitzende des Vereins, zudem ist sie in der Rechtsschutzstelle und der Jugendgruppe des Vereins tätig. Carry Brachvogel hingegen ist als Leiterin der 1912 gegründeten Komission für Bühnenangelegenheiten aktiv.

Das, was man seit 1894 schon mit dem Verein für Fraueninteressen erfolgreich umgesetzt hatte, die Gründung eines Netzwerkes und den Zusammenschluss der Frauen, genau diesem Zweck und Ziel soll auch der Schriftstellerinnen-Verein dienen. Davon zeugt die acht Punkte umfassende Satzung ganz deutlich. Den neugegründeten Münchner Schriftstellerinnenverein kann man insofern auch als „Ableger“ des Vereins für Fraueninteressen sehen, als sich sein Ideengut eben auch im neugegründeten Schriftstellerinnen-Verein widerspiegelt.

Die erste Sitzung, die in den Münchner Zeitungen bekannt gegeben wird, findet am 22. Oktober 1913 im Vereinslokal des Vereins für Fraueninteressen in der Brienner Straße 39 statt und ist sehr gut besucht. Münchens bekannteste Schriftstellerinnen und Journalistinnen kommen und tragen sich in die Mitgliederlisten ein. Insgesamt sind es 68. Unter ihnen finden sich auch Ricarda Huch, Annette Kolb und Isolde Kurz. Ihre Namen kennen Ältere noch aus dem Schul- oder Geschichtsunterricht. Viele andere sind heute nahezu vergessen, so z.B. Elsa Bernstein, Anna Crossaint-Rust, Eva Gräfin von Baudissin, Helene Raff, Frieda Port und Emma Klingenfeld.

Als Name des Vereins einigt man sich auf „Verein der Münchner Schriftstellerinnen“. Als Zweck wird der Zusammenschluss der in München lebenden Schriftstellerinnen und Journalistinnen bestimmt. Der Verein will die Interessen des Standes und der einzelnen Autorinnen vertreten. Durch gegenseitige Besprechungen, Beratungen und den Austausch von Fach-Erfahrungen soll eine geistige Arbeitsgemeinschaft zwischen den Mitgliedern herbeigeführt und auch unerfahrenen Schriftstellerinnen mit Rat und Tat zur Seite gestanden werden. Vor Mitarbeit ohne Honorar will man warnen und die Mitglieder durch Ausbeutung durch gewissenlose Verleger schützen. Und so steht denn im Mittelpunkt auch die Satzung 5:

Es wird von den Mitgliedern erwartet und gefordert,
dass sie im geschäftlichen Verkehr Interessen und Ansehen
des Standes in jeder Weise wahren, insbesondere
Arbeiten nicht zu Schleuderpreisen oder umsonst abgeben,
damit mit dem bei vielen Redaktionen herrschenden
Vorurteil gebrochen werden kann, dass Frauenarbeit
billiger entlohnt werden dürfe als Männerarbeit.

Als Tätigkeit des Vereins bestimmt man Zusammenkünfte, bei denen man über alle anliegenden Fragen diskutieren will. Auch die Planung von literarischen Veranstaltungen fasst man ins Auge. Jedes Jahr im November soll die Hauptversammlung stattfinden. Als Jahresbeitrag der Mitgliedskarte wird vorerst die Summe von 2 Mark festgelegt.

Als Lokal für die weiteren Zusammenkünfte wird das vegetarische Restaurant Ethos in der Ottostraße 1 gewählt. Hier sollen fortan immer am ersten Dienstag jedes Monats die Mitgliedertreffen des Schriftstellerinnen-Vereins stattfinden.

In heutiger Terminologie würde man das Ethos als „In-Place“ bezeichnen, in dem die kreative Avantgarde Diskussionen über ganz ähnliche Themen führt, wie sie heute wieder geführt werden: die Angemessenheit des Materials, Schönheit und Stil. Ein neues kritisches Lebensgefühl wird in literarische und bildnerische Ausdrucksformen übersetzt. In enger Verbindung damit, findet wie heute auch der Vegetarismus großen Zuspruch, auch und gerade in der gehobenen Gastronomie.

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Dr. Ingvild Richardsen

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Satzungen des Münchner Schriftstellerinnen-Vereins, 1913. In der ersten Sitzung des Vereins einigt man sich auf eine Satzung mit acht Punkten. © Stadtarchiv München, Vereine 2168
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