Science Fiction und Utopie in Bayern

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Nürnberg in der Zukunft – Markt, zeitgenössische Postkarte

In Bayern haben die Themen Science Fiction und Utopie Tradition. Einer der berühmtesten Söhne des Landes, König Ludwig II., war ein Phantast und Visionär, der einen großen Teil seiner Träume Realität werden ließ. Kein Wunder also, dass das literarische Genre Science Fiction sich hier ansiedelte. Der erste Science Fiction-Klassiker, an dem sich viele Nachfolgewerke orientierten, spielt in Ingolstadt und wurde von einer Frau geschrieben: 1818 veröffentlichte Mary Shelley Frankenstein oder Frankenstein oder Der moderne Prometheus (Original: Frankenstein or The Modern Prometheus) – zunächst anonym.

Von Ingolstadt nach Bamberg, etwa um die gleiche Zeit: Dort lebte von 1808 bis 1813 E.T.A. Hoffmann. Schon seine erste Buchveröffentlichung, die Fantasiestücke in Callots Manier (1814/5), weisen in die Bereiche Fantasy und Science Fiction. Das Thema der künstlichen Menschen bewegte ihn von Anfang an. Am berühmtesten wurde seine Puppe Olimpia aus der Erzählung Der Sandmann (1816/7).

1993 erhielt Herbert Rosendorfer den Literaturpreis des Science Fiction Club Deutschland für den besten phantastischen Roman des Jahres 1992: Die Goldenen Heiligen oder Columbus entdeckt Europa. Schon Rosendorfers 1986 erschienener Roman Briefe in die chinesische Vergangenheit gilt als eins der populärsten zeitgenössischen deutschsprachigen Science Fiction-Werke. Darin reist der Mandarin Kao-tai mit Hilfe einer Zeitmaschine aus dem China des 10. Jahrhunderts ins 20. Jahrhundert nach München und beobachtet die Lebensweise der „Großnasen“. Er lässt sich von seinem Gastgeber den technischen Fortschritt erklären und denkt über Umweltverschmutzung, Staatsformen, Korruption und Kultur nach.

Auch die literarische Eroberung des Weltraums und die Begegnungen mit Außerirdischen wurden in Bayern imaginiert: In Irschenhausen begann der Siegeszug Perry Rhodans. Der erste Heftroman der deutschen Science Fiction Serie erschien unter dem Titel Unternehmen Stardust am 8. September 1961. Seither wurden mehr als 3000 Hefte publiziert. Jede Woche war eine neue Folge an den Zeitungskiosken erhältlich. Die durchschnittliche Auflage betrug 80000 Exemplare, so dass man zu Recht von einer der erfolgreichsten Science Fiction-Serie der Welt sprechen kann. Die Autoren Walter Ernsting (Pseudonym Clark Darlton) und Karl-Herbert Scheer entwickelten in einem oberbayerischen Sandkasten die Mondlandschaften, in denen sich ihr Held bewegte.

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Gunna Wendt

Sekundärliteratur:

Bräunlein, Jürgen (2000): Leben heißt gegen den Zufall kämpfen. Der visionäre Ingenieur und antifaschistische Science-Fiction-Autor Kurt Karl Doberer. In: Flessner, Bernd (Hg.): Visionäre aus Franken. Sechs phantastische Biographien. Ph. C. W. Schmidt Verlag, Neustadt a.d. Aisch.

Döbler, Katharina (2009): Zwischen Traum und Wirklichkeit. Alfred Kubin, Die andere Seite. Deutschlandradio Kultur, 30. Juli.

Geyer, Andreas (2008): „...vielleicht bin ich Schriftsteller...“. Alfred Kubin als Literat. In: Hoberg, Annegret (Hg.): Alfred Kubin. Neue Galerie New York und Prestel Verlag, München/Berlin u.a.

Gortner, Ernst (2000): Schattenmund. Die kinematographischen Visionen der Thea Gabriele von Harbou. In: Flessner, Bernd (Hg.): Visionäre aus Franken. Sechs phantastische Biographien. Ph. C. W. Schmidt Verlag, Neustadt a.d. Aisch 2000.

Hordych, Barbara (2016): Das Geheimnis des eisernen Trompeters, Süddeutsche Zeitung, 5. Juni.

Roth-Oberth, Erna; Jelnina, Tanja (2000): Hermann Oberth: Eine Brücke zwischen den Zeiten. In: Flessner, Bernd (Hg.): Visionäre aus Franken. Sechs phantastische Biographien. Ph. C. W. Schmidt Verlag, Neustadt a.d. Aisch.

Rößler, Armin (1973): Carl Amerys Der Untergang der Stadt Passau. Eine Untersuchung der zentralen Themenkomplexe. Erster Deutscher Fantasy Club, Sekundärliterarische Reihe, Passau.

 

Quellen:

Carl Amery: Der Untergang der Stadt Passau. Südost Verlag, Regenstauf 2015.

Kurt Karl Doberer: Die Schiene. Gedichte. Dietz Verlag, Berlin 1948.

Herbert W. Franke: Ypsilon minus. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M. 1982

Daniel F. Galouye: Simulacron Drei. Heyne Verlag, München 1983

Thea von Harbou: Frau im Mond., Wilhelm Heyne Verlag, München 1989.

Dies.: Metropolis. Ullstein Verlag, Frankfurt a.M./Berlin/Wien 1984.

E.T.A. Hoffmann: Der Sandmann, in: Nachtstücke. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1984.

Bernhard Kellermann: Der Tunnel. Verlag Volk und Welt, Berlin 1981.

Alfred Kubin: Die andere Seite. Verlag Philipp Reclam jr., Leipzig 1984.

Fritz Müller-Scherz, Rainer Werner Fassbinder: Welt am Draht. Verlag Matthes und Seitz, Berlin 2010.

Fabienne Pakleppa: Die Himmelsjäger. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M. 1993.

Susanne Röckel: Rotula. Eichborn Verlag, Frankfurt a.M. 2011.

Herbert Rosendorfer: Die Goldenen Heiligen oder Columbus entdeckt Europa. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1996.

Lienhard Wawrzyn: Der Automatenmensch. Wagenbach Verlag, Berlin 1978.

Mary Wollstonecraft Shelley: Frankenstein oder Der moderne Prometheus, übersetzt von Heinz Widtmann, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt a.M. 2009.



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Dieses Gemälde (von Theatermaler Christian Jank) zeigt das Märchenschloss, das König Ludwig II. von Bayern noch 3 Jahre vor seinem Tod plante (1883). Die Ausführung wurde bereits begonnen, nach dem Tode Ludwigs jedoch wieder eingestellt.
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