Lion Feuchtwanger – „Die häßliche Herzogin“: Vom Unglück verfolgt
Obwohl ihr Ehemann offiziell die Führung des Landes übernimmt und sich als großer Herrscher aufspielt, lenkt Margarete die Regierungsgeschäfte im Hintergrund und bringt das Land Tirol zu großer Blüte. Abgestoßen von ihrem Gemahl, verliebt sie sich in dessen Pagen. Sie wägt sich in dem Glauben, er würde ihre „innere Schönheit“ sehen, aber auch von ihm wird sie enttäuscht und zurückgewiesen, als er die schöne Agnes heiratet.
Sie raste. Sie wütete gegen sich. Mit einem Krach stürzte der ganz künstliche Bau ein, in den sie sich geflüchtet hatte. Oh, wie verlogen waren alle diese Phantasien gewesen von ihrer strengen, hohen Sendung, ihr Willkommgruß an die Häßlichkeit! Lächerlich war sie, lächerlich im Putz ihrer modischen Kleider und weltumströmenden Gefühle, sie, die Gott verworfen hatte durch ihre widerwärtige Gestalt und doppelt verhöhnt durch den Platz, auf den sie gestellt.
Wie hatte sie herabgeblickt aus ihrer kristallenen Höhe auf Agnes, das kleine, bunte, dumme Insekt. Und jetzt lag sie im Dreck, wo sie hingehörte, ekles Geziefer, das sie war [...] (S. 95f.)
Johann lässt den Pagen schließlich töten. Um auch ihren verhassten Ehemann loszuwerden, beteiligt sie sich an einer Rebellion in Tirol. Den Schmerz und den Zorn, der aus der Zurückweisung durch ihre Mitmenschen resultiert, richtet Margarete jedoch zunächst nicht gegen ihre Umwelt, sondern gegen sich selbst.
Carl Friedrich Heinrich Werner (1808-1894): Haus der Margarethe Maultasch in Meran, November 1892. Blick auf mittelalterliches Gehöft, Aquarell
Die Figur Margarete stürzt sich in die politischen Geschäfte, als solle ihr Handicap mit Arbeit, Effizienz, Erfolg ausgeglichen werden. Aber sie bleibt vom Unglück verfolgt. Ihr zweiter Mann verstirbt, ihre Töchter sterben an der Pest, sie geht eine Verbindung mit dem berechnenden Konrad von Frauenberger ein (ein Albino – also ebenfalls ein Außenseiter), der sie ausnutzt, und verliert zuletzt ihren Sohn. Die Kontrolle über ihr Land entgleitet ihr nach und nach und der Respekt ihrer Untertanen wandelt sich in Zorn – Jedes Unglück, das dem Land widerfährt, wird als Strafe für die Missgunst Gottes gewertet, die die Herrscherin auf sich und auf das Land gezogen hat. Zuletzt gezwungen, das väterliche Erbe an die österreichischen Herzoge abzutreten, verbringt die hässliche Herzogin ihre letzten Jahren einsam im Kloster Frauenchiemsee.
Da zog sie fort, krank, abgerissen, die Verderberin, die Hexe, die Mörderin, die Männersüchtige, Unersättliche, die Häßliche, die Maultasch. Hinter ihr, wildgrausam, schmutzig, schlugen groteske Legenden zusammen. [...] Man mied die Orte, wo sie gern geweilt hatte, sie waren nicht geheuer. Man schreckte die Kinder: Wenn ihr nicht folgsam seid, holt euch die Maultasch. (S. 302)
In Lion Feuchtwangers Roman Die häßliche Herzogin wird ein herzensguter, intelligenter Mensch durch ein entstelltes Äußeres zum Ausgegrenzten. Obwohl sich die Figur Margarete Maultasch die größte Mühe gibt, von ihrer Umwelt akzeptiert zu werden – sei es durch das Verbergen ihrer Hässlichkeit oder ihr Handeln –, wird sie immer wieder ausgestoßen, verspottet, verletzt. Die fortwährende Zurückweisung lässt sie irgendwann selbst bitter und rachsüchtig werden. Zuletzt wird sie trotz ihrer gehobenen gesellschaftlichen Stellung und ihrer vormaligen Macht von der Gemeinschaft, in der und für die sie lebt, isoliert. Feuchtwanger zeigt damit eindrücklich, was mit einem Menschen passiert, wenn er ohne eigenes Verschulden als Ausgestoßener leben muss.
Weitere Kapitel:
Obwohl ihr Ehemann offiziell die Führung des Landes übernimmt und sich als großer Herrscher aufspielt, lenkt Margarete die Regierungsgeschäfte im Hintergrund und bringt das Land Tirol zu großer Blüte. Abgestoßen von ihrem Gemahl, verliebt sie sich in dessen Pagen. Sie wägt sich in dem Glauben, er würde ihre „innere Schönheit“ sehen, aber auch von ihm wird sie enttäuscht und zurückgewiesen, als er die schöne Agnes heiratet.
Sie raste. Sie wütete gegen sich. Mit einem Krach stürzte der ganz künstliche Bau ein, in den sie sich geflüchtet hatte. Oh, wie verlogen waren alle diese Phantasien gewesen von ihrer strengen, hohen Sendung, ihr Willkommgruß an die Häßlichkeit! Lächerlich war sie, lächerlich im Putz ihrer modischen Kleider und weltumströmenden Gefühle, sie, die Gott verworfen hatte durch ihre widerwärtige Gestalt und doppelt verhöhnt durch den Platz, auf den sie gestellt.
Wie hatte sie herabgeblickt aus ihrer kristallenen Höhe auf Agnes, das kleine, bunte, dumme Insekt. Und jetzt lag sie im Dreck, wo sie hingehörte, ekles Geziefer, das sie war [...] (S. 95f.)
Johann lässt den Pagen schließlich töten. Um auch ihren verhassten Ehemann loszuwerden, beteiligt sie sich an einer Rebellion in Tirol. Den Schmerz und den Zorn, der aus der Zurückweisung durch ihre Mitmenschen resultiert, richtet Margarete jedoch zunächst nicht gegen ihre Umwelt, sondern gegen sich selbst.
Carl Friedrich Heinrich Werner (1808-1894): Haus der Margarethe Maultasch in Meran, November 1892. Blick auf mittelalterliches Gehöft, Aquarell
Die Figur Margarete stürzt sich in die politischen Geschäfte, als solle ihr Handicap mit Arbeit, Effizienz, Erfolg ausgeglichen werden. Aber sie bleibt vom Unglück verfolgt. Ihr zweiter Mann verstirbt, ihre Töchter sterben an der Pest, sie geht eine Verbindung mit dem berechnenden Konrad von Frauenberger ein (ein Albino – also ebenfalls ein Außenseiter), der sie ausnutzt, und verliert zuletzt ihren Sohn. Die Kontrolle über ihr Land entgleitet ihr nach und nach und der Respekt ihrer Untertanen wandelt sich in Zorn – Jedes Unglück, das dem Land widerfährt, wird als Strafe für die Missgunst Gottes gewertet, die die Herrscherin auf sich und auf das Land gezogen hat. Zuletzt gezwungen, das väterliche Erbe an die österreichischen Herzoge abzutreten, verbringt die hässliche Herzogin ihre letzten Jahren einsam im Kloster Frauenchiemsee.
Da zog sie fort, krank, abgerissen, die Verderberin, die Hexe, die Mörderin, die Männersüchtige, Unersättliche, die Häßliche, die Maultasch. Hinter ihr, wildgrausam, schmutzig, schlugen groteske Legenden zusammen. [...] Man mied die Orte, wo sie gern geweilt hatte, sie waren nicht geheuer. Man schreckte die Kinder: Wenn ihr nicht folgsam seid, holt euch die Maultasch. (S. 302)
In Lion Feuchtwangers Roman Die häßliche Herzogin wird ein herzensguter, intelligenter Mensch durch ein entstelltes Äußeres zum Ausgegrenzten. Obwohl sich die Figur Margarete Maultasch die größte Mühe gibt, von ihrer Umwelt akzeptiert zu werden – sei es durch das Verbergen ihrer Hässlichkeit oder ihr Handeln –, wird sie immer wieder ausgestoßen, verspottet, verletzt. Die fortwährende Zurückweisung lässt sie irgendwann selbst bitter und rachsüchtig werden. Zuletzt wird sie trotz ihrer gehobenen gesellschaftlichen Stellung und ihrer vormaligen Macht von der Gemeinschaft, in der und für die sie lebt, isoliert. Feuchtwanger zeigt damit eindrücklich, was mit einem Menschen passiert, wenn er ohne eigenes Verschulden als Ausgestoßener leben muss.