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31.10.2010, 23:32 Uhr
Peter Czoik
Text & Debatte

Ein konservativer Dichter: Heinz Piontek

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Heinz Piontek bei der Jahressitzung der Bayerischen Akademie der Schönen Künste am 27. Juni 1984 (Bayerische Staatsbibliothek/Timpe)

Die Lyrik war dem Autor Heinz Piontek die Mitte seines dichterischen Schaffens. In einem Interview 1979 bekannte er: „Für mich ist das Gedicht eine auf die kürzeste Formel gebrachte Kundgebung eines Einzelnen, die von seinen Erfahrungen, Überlegungen, Eindrücken, Träumen handelt.“ Die Mischung aus existentieller Selbstbezogenheit und poetischer Reduktion erscheint bei ihm auf weite Strecken hin meditativ und melancholisch, aber auch durchgängig glatt und konservativ. Die Frage, ob bei bestimmten Wörtern nicht Vorsicht zu walten ist, weil sie abgegriffen und der menschlichen Vorstellung entzogen sind, hat Piontek stets verneint: „Seele“, „Glück“ oder „Gott“ stehen unerschütterlich als affirmative Sinnbilder in seiner Lyrik. Und je mehr die moderne Lyrik ob dieser Sinnbilder Zweifel anmeldete, umso eher fühlte sich Piontek zur Verwendung derselben aufgerufen.

Begonnen hatte Piontek mit oft gereimten Naturgedichten, im Laufe der Jahre wandte er sich stärker existentiellen, zeitgeschichtlichen, auch politischen Themen zu. Seine Gedichte der 1970er-Jahre sind gekennzeichnet durch die Einfachheit der Sprache, gedankliche Transparenz und ökonomische Bildhaftigkeit. Im „Riederauer Gedicht“ aus Tot oder lebendig (1971) versucht er eine Art existentieller Selbstbestimmung zu geben:

Wäre ich der, der ich bin, hielte mich nichts zurück. Kein Gedanke, nicht der Buchstabe eines Gedankens.

Ich würde es wagen, den Fuß aufs Leere zu setzen, mich auf den nie gerittenen Schimmel zu werfen mit seinem ungestümen, vom Eis bedrohten Herzen, noch mit gelähmter Zunge würde ich Feuer speien.

Nein, nur die Finger auf meine Wunden legen und das Wort Verrat, das uns so vergiftet, ausbrennen bis aufs schreiende Leben. Dem Vaterland vergeben. Mich nicht brüsten mit der Wahrheit.

Weniger noch: Keine Fragen stellen, nichts hinzufügen, einfach die Hand hinstrecken, hier diese Hand.

Ja, wäre ich der, der ich bin.

Doch die Gebundenheit des Dichters ans Wort und humane Verpflichtung gegenüber der Wahrheit bzw. Wahrhaftigkeit zwingen ihn, der Alte zu bleiben und sich nicht zu verändern. Der später geäußerte Imperativ „Ausbrechen aus mir selbst!“ wird bezeichnenderweise nicht ans eigene (Dichter-)Ich gerichtet, sondern umgelenkt auf das Selbst, das das Ich sein könnte:

belagert von einem, den nichts zurückhält, stärker als alle meine Feinde –

von dem ich mich doch in diesem Augenblick befreien könnte mit dem Mut zu glauben, daß er der ist, der ich bin.

Ich müßte für mich durchs Feuer gehn.

Ein Streichholz anreißen. Die Gitter ableuchten. Die in die Scharten eingelassenen Gitter.

Ausbrechen aus mir selbst!

Noch in der Prosaskizze Englischer Garten von 1978, die alltägliche Impressionen aus dem Münchener Park neben Beobachtungen von Menschen und Tieren und Gedanken zur Kulturgeschichte enthält, wird der Wahrheitsgehalt von Dichtung unhinterfragt stilisiert und damit einer möglichen Diskussion entzogen: „Wahrheitsgemäß schildere ich eine [Gestalt], wie sie im Steppenwolf blättert. Ich, anstelle der Wahrheit, hätte diesen wirklich ziemlich preiswerten Einfall unterdrückt. Aber bin ich nicht, wie jeder anständige Schreiber, an die Wahrheit gebunden?“

Die Kategorie des Schönen nicht mit Inhalt zu füllen, sondern als solche lediglich zu benennen, erscheint in Pionteks Verständnis als hinreichende „Befreiung“ aus vorgestanzter Sprache. Mit dem Hinweis, er habe auch Themen wie Terrorismus, Nachtschicht (in dem Gedicht „Vorkriegszeit“), Generationenkonflikt (im Roman Juttas Neffe), „Sexkommune“ (in der Erzählung Auf dem Lande) aufgegriffen, versuchte Piontek allerdings den Verdacht, ein autozentrisches Weltbild von sich als Autor verfasst zu haben, zu widerlegen.

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